Nicht mal ein Viertel der Deutschen kann sich vorstellen, eine Elektroauto zu kaufen. Das hat gerade der Acatech Mobilitätsmonitor 2021 ergeben. Haben die Skeptiker recht?
Kurz gesagt: nein! Nach heutigem Stand der Technik ist der Klimavorteil eines Elektro-Autos gegenüber Verbrennern enorm. Eine aktuelle Studie des International Council on clean transportation besagt, dass ein Elektroauto aus der Kompaktklasse in Europa 66 bis 69 Prozent weniger Treibhausgase freisetzt, als ein Fahrzeug mit Benzinantrieb. Betrachtet wurde dabei der Energiebedarf über die gesamte Lebensdauer der Pkw, inklusive Herstellung. Einbezogen in die Rechnung ist bereits, dass Batterien oft weit reisen, weil sie auf anderen Kontinenten gefertigt werden, etwa in China. Die Forscher erwarten zudem, dass E-Autos, die in den kommenden Jahren zugelassen werden, in Sachen Klima noch besser abschneiden werden. »Aufgrund des sich stetig verbessernden Strommix, erhöht sich dieser Emissionsvorteil für Neufahrzeuge im Jahr 2030 auf etwa 74 bis 77 Prozent.«
Trotzdem haben Elektro-Autos, siehe oben, keinen Lauf – hartnäckig hält sich das Gerücht, dass sie gar nicht so viel sauberer seien. Dass die Rohstoffe für die Batterien immense Umweltschäden im Gepäck hätten. Woher kommt das?
Lobbyisten bei der Arbeit
Als ich für meinen Konsumkompass recherchiert habe, bin ich auf Studien gestoßen, die dem Elektroauto in der Tat ein schlechtes Zeugnis ausstellten. Das IFO-Institut, zum Beispiel: Nach dessen Urteil sei sogar der viel geschmähte Diesel noch besser. „Es zeigt sich, dass der CO2-Ausstoß des Elektromotors im günstigen Fall um etwa ein Zehntel und im ungünstigen Fall um ein gutes Viertel über dem Ausstoß des Dieselmotors liegt.“
Schaut man sich die Studie des IFO-Instituts genauer an, stellt man fest, dass die Autoren allerdings ziemlich unsauber vergleichen: So hat das Mercedes-Dieselfahrzeug, um das es bei dem Vergleich geht, 194 PS, der untersuchte Elektro-Tesla dagegen 351. Würde man zum Vergleich einen ähnlich leistungsstarken Diesel heranziehen, zum Beispiel ein Fahrzeug mit 254 PS, stünde der Tesla in Sachen CO2-Bilanz schon deutlich besser da, als der Diesel. Oder die Sache mit der Laufleistung: Die IFO-Studie rechnet mit 150 000 Kilometern. Tesla gewährt jedoch die Batterien seiner großen Fahrzeuge eine Garantie über 192 000 Kilometer – und mit jedem Kilometer mehr verbessert sich die CO2-Bilanz der Elektroautos.
Ganz generell hängen Ökobilanzen von vielen Parametern ab – deshalb haben Lobbygruppen, die die E-Mobilität schlechtrechnen wollen, ein so leichtes Spiel.
Das Batterie-Problem
Knackpunkt bei den Elektroautos sind die Batterien. Für die benötigt man Lithium, viel Lithium, und um das wiederum zu gewinnen, passieren im Moment heftige Öko-Sauereien in der Argentinischen Wüste, wo jahrtausendealte Salzseen zerstört werden und die Industrie indigenen Bauern das bisschen Grundwasser abgräbt, das sie für ihre karge Landwirtschaft dringend brauchen. Nicht gut! Hergestellt werden diese Batterien dann oft in China oder Süd-Korea, wo ein großer Teil des Stroms für die Herstellung aus Kohlekraftwerken kommt. Auch nicht gut! Und so lange wir in Deutschland einen Strommix haben, der zum größeren Teil aus nicht regenerativen Energiequellen stammt, eben auch wieder aus Kohle, zum Beispiel, verpesten zwar die Elektroautos selbst nicht die Luft, dafür aber die Kraftwerke, die den Strom dafür erzeugen. Andererseits passieren mindestens genauso schlimme Umweltsauereien bei der Erdölgewinnung, wenn etwa in Nigeria Mangrovensümpfe verpestet werden oder nach Ölbohrinsel-Havarien millionenfach Seevögel verenden, vom hochumstrittenen Fracking gar nicht zu reden.
Immerhin wird an den Problemen bei der Herstellung von Batterien für Elektroautos mit Hochdruck gearbeitet. Am Georgia Institute of Technology in Atlanta suchen Forscher nach Alternativen zu Lithium – Natrium oder Kalium etwa, das fast überall auf der Erde vorkommt und relativ leicht zu gewinnen ist. Am Ulmer Helmholtz-Zentrum versuchen Wissenschaftler, Lithium durch Magnesium oder auch wieder Natrium zu ersetzen. Die Natrium-Batterien stehen kurz vor der Serienreife, sind aber schwerer als Lithium-Akkus und deshalb eher für Busse und LKW geeignet. Aber zumindest tut sich hier etwas. Ebenso wird der deutsche Strommix auf lange Sicht ökologischer werden. Fährt ein Elektro-Auto zu 100 Prozent mit Ökostrom, verändert sich seine CO2-Bilanz sofort massiv zum Guten.
Denkfehler beim Elektroauto
Zwei Dinge kann man beim Elektroauto so richtig falsch machen: Zum einen ist das E-Mobil als Zweitwagen für kurze Wege in der Stadt das falsche Vehikel! Der Energieeinsatz für die Batterie lohnt sich dann, wenn diese möglichst lange läuft. Elektroautos halten viel mehr Kilometer durch, als Verbrenner. Dafür müssen sie aber auch auf weiteren Strecken genutzt werden, nicht nur als sauberer Cityflitzer.
Zweiter Denkfehler:Ein Hybridfahrzeug sei genauso sinnvoll. Ist es nur bedingt – vorausgesetzt man nutzt wirklich überwiegend den Elektroantrieb, und der Kraftstoffmotor ist eine reine Notfalloption.
Was in jedem Fall völlig überschätzt wird, ist das Reichweitenproblem. Eine Studie des Bundesverkehrsministeriums hat 2017 ermittelt, wie weit wir Deutschen pro Tag im Schnitt fahren: 37 Kilometer sind es bei Menschen im ländlichen Raum, 22 Kilometer bei Stadtbewohnern. Die Gelegenheiten, wo unterwegs nachgeladen werden muss, sind also klar die Ausnahme. Und das Ladenetz wird stetig ausgebaut. Mit der kostenlosen App Next Plug findet man Ladestationen in Deutschland. Ich gehöre ja zu den reisenden, die jeden Pinkelstopp schmerzlich unter Zeitverlust verbuchen. Insofern ist für mich der Gedanke, dass Auftanken nicht nur 5 Minuten sondern womöglich eine halbe Stunde dauert, gewöhnungsbedürftig. Aber der Weg ist das Ziel. Und irgendwo müssen wir mit der Lebensstilveränderung ja mal anfangen, wenn wir unseren Planeten vor der Klimakrise retten wollen.
Ein zweites Leben für die Batterie
Batterien von Elektro-Autos halten meist weniger lange, als das Auto drum herum: Nach acht bis zehn Jahren lässt ihre Leistung deutlich nach. Gesetzlich müssen diese Batterien recycelt werden. Noch klimafreundlicher ist es, ihnen zunächst ein „zweites Leben“ zu gönnen und sie unter weniger leistungsfordernden Bedingungen weiterzuverwenden, etwa als Heimspeicher für Solarstrom. Die TU München forscht an solchen Modellen. Weiterer Vorteil: Das Recycling der Batterie wird auf einen Zeitpunkt verschoben, zu dem die momentan noch in den Anfängen steckenden Recycling-Technologien deutlich effizienter sein dürften.
Fazit: Der Klimawandel findet jetzt statt, nicht irgendwann in 15 Jahren oder so. Und im Moment sind Eöektroautos die einzige klimafreundlichere Alternative zum Verbrenner. Vielleicht gibt es in 10 Jahren marktreife andere Systeme. Aber deshalb jetzt erst mal weiter Erdöl in die Luft jagen, ist in jedem Fall falsch.
Noch besser ist übrigens natürlich immer gar nicht Auto fahren. Sondern Bus. Oder Zug. Oder Fahrrad. Aber das wissen wir ja alle…
Liebe Frau Schickling,
tut mir leid, dass ich anderer Meinung bin als dieser Artikel:
Zunächst mal kommt der Strom, mit dem die Batterien geladen werden, bislang noch überwiegend aus herkömmlichen Kraftwerken, hat also überhaupt keine ökologischen Vorteile. So überwiegen immer noch die negativen Seiten der Batterieherstellung bei weitem.
Sofern sich in späterer Zukunft wesentliche Änderungen bei der Stromerzeugung einerseits als auch bei den einzusetzenden Rohstoffen andererseits ergeben sollten, kann sich diese Bilanz natürlich ändern.
Diese ungewisse Zukunftsaussicht aber würde mich keinesfalls bereits jetzt zum Kauf eines dazu noch unerhört teuren Elektroautos verleiten. Lieber verfahre ich da weiter so wie bereits seit Monaten geübt, dass ich nämlich meinen Benziner nur noch benutze, wenn die Fahrtstrecke alternativ mit dem Fahrrad oder zu Fuß nicht zu bewältigen ist. Da spare ich nämlich auf zweierlei Weise, nämlich bei der Erzeugung von CO2 und bei den Benzinkosten.
Nur um einer unausgegorenen Transformation bei der Elektrifizierung zuliebe einem mit Scheuklappen versehenen Trend hinterher zu laufen, der mich an den Rattenfänger von Hameln erinnert, werde ich nicht auf diesen Zug aufspringen, solange dieses Missverhältnis zwischen immer weniger Stromerzeugung gegenüber immer mehr Stromverbrauch besteht.
Und bis es soweit ist, dass dieses Missverhältnis nicht mehr besteht, werde ich ohnehin kein eigenes Kraftfahrzeug mehr besitzen, sondern eher einen batteriegetriebenen Rollstuhl.
Mit freundlichen Grüßen
Lieber Herr Heidenreich,
die Elektroautos haben auch beim heutigen Strommix – aktuell knapp über 40 % aus regenerativen Stromquellen – unterm Strich eine bessere Ökobilanz, als Verbrenner. Und es besteht Grund zur Annahme, dass sich über die Lebensdauer eines Neuwagens der Anteil noch deutlich zugunsten Wind, Sonne und Co verschiebt.
Richtig ist aber auch: gar nicht Auto fahren ist eindeutig noch besser. Und die Frage nach einem E-Auto stellt sich ökologisch korrekt auch nur, wenn man ohnehin ein Fahrzeug anschafft. Jetzt ein fahrtüchtiges Auto zu verschrotten, um die Regierungsprämie mitzunehmen, ist eine ähnliche Ökosauerei, wie die als „Umweltprämie“ grüngewaschene Abwrackprämie von 2009.
Herzlich, Ihre Katarina Schickling