Wer diesen Blog verfolgt, weiß, dass gutes Essen in meinem Leben eine wichtige Rolle spielt. In unregelmäßiger Folge gibt es hier Gespräche mit Sterne-Köchen. Und weil meine andere große Leidenschaft das Thema Nachhaltigkeit ist, geht es natürlich immer um die Frage, wie sich Genuss und der schonende Umgang mit Ressourcen vereinen lassen. Heute: Jan Hartwig, einer von neun 3-Sterne Köchen in Deutschland.

Meinen Besuch im Restaurant „Jan“ in München – der einzige Gourmettempel in meiner Heimatstadt, der mit drei Michelin-Sternen gekrönt ist – hatte ich mir selbst zum Geburtstag geschenkt. Ich war sehr neugierig, ob man den Unterschied dieser höchsten Klasse zu Restaurants mit „nur“ zwei Sternen tatsächlich schmecken kann. Kurz gesagt: ja!!! Was im Jan auf den Tisch kam, spielte geschmacklich und in Sachen Kreativität tatsächlich in einer anderen Liga.

Aber wie steht es um das Thema Nachhaltigkeit? Ein paar Tage nach meinem Besuch im Mai habe ich ein Interview mit dem Münchner Sternekoch geführt. Und weil ich beim Bearbeiten so getrödelt habe, gibt es die Geschichte jetzt gewissermaßen als besonderen Geschenke-Tipp für Weihnachten…

Nachhaltigkeit und Gourmet-Küche – ein Widerspruch?

Früher ganz sicher: Zutaten aus aller Herren Länder waren lange Zeit gleichbedeutend mit Feinschmeckertum. Dass Deutschlands erster Sternekoch Eckart Witzigmann in den 70er Jahren seine Zutaten vom Pariser Großmarkt kommen und besondere Fische im Zweifel tagesfrisch einfliegen ließ, war damals quasi die Voraussetzung, um vom Guide Michelin überhaupt ernstgenommen zu werden. Heute ist das anders, erklärt mir Jan Hartwig:

„Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle. Natürlich steht der Geschmack immer an erster Stelle, aber die Welt hat sich geändert, glücklicherweise. Den Gästen ist es nicht mehr egal, und mir schon lange nicht, deshalb muss das im Einklang sein. Das ist schon eine Frage der Verantwortung!“

Das Thema Fisch ist da ein gutes Beispiel:

„Bei Fisch verwende ich ganz selten mal noch einen Salzwasserfisch, aber schon sehr, sehr ausgesucht. Lieber setze ich auf Süßwasserfisch von nachhaltig wirtschaftenden Betrieben und aus regionalen Gewässern. Es ist ja ein Irrsinn, eine Gelbschwanzmakrele aus Japan oder Australien zu holen, und vor der Tür sind in meinem Fall der Schliersee oder der Chiemsee. Die Fische von dort schmecken hervorragend, das wäre absolut Sushi-Qualität.“

Ich werfe einen Kontrollblick auf das 13 Gänge Menü. Und wirklich: keine Meeresfische, stattdessen etwa Saibling aus den Quellwasser-Weihern der Fischerei Schliersee, von dem auch die Leber verarbeitet wird. Generell kommt fast alles aus der Region, Lamm etwa vom Gutshof Polting aus Niederbayern. Und Fleisch und Fisch spielen auf den kunstvoll gebauten Tellern offensichtlich nicht die dominierende Rolle, sondern sind immer nur eine Zutat von vielen. Das ist Absicht, erklärt mir der Koch:

„Generell ist bei mir der Fleisch- und Fischanteil deutlich runter gegangen. Ich wurde in meiner Ausbildung einst so sozialisiert, dass zu einem Gericht 80 Gramm Rohgewicht Fleisch gehören. Heute bin ich, wenn es hochkommt, bei 40 Gramm. Das hat nichts mit Sparsamkeit zu tun; so ist es einfach bekömmlicher.“

Kochen mit Gemüse auf Gourmetniveau

Die Nachhaltigkeitssünde bei diesem Menu steht gleich am Anfang: Foie Gras. Eindeutig ein Problemprodukt, das ich schon aus Prinzip durch eine vegetarische Alternative ersetze – kein Problem für die Küche, und ehrlich gesagt auch so ein großer Genuss. Stopfleber muss aus meiner Sicht wirklich gar nicht mehr vorkommen.

Ich esse in Gourmet-Restaurants auch sonst gerne gezielt vegetarische Gänge – weil man da, finde ich, noch besser sieht, ob die Küchencrew ihr Handwerk versteht. Jan Hartwig sieht das genauso:

„Bei vegetarischen Gerichten kann man viel weniger vertuschen. Ich habe einen Riesenrespekt vor der Küche. Da muss man sich richtig reinarbeiten. Das macht deutlich mehr Mühe, als mit Fleisch zu kochen.“

Resteverwertung auf höchstem Niveau: Eine der Schichten dieses kleinen Karotten-Kunstwerks ist knusprige Hendl-Haut

Vegane Gerichte gibt es hier allerdings nicht:

„Vegan kochen deckt sich nicht mit meiner Philosophie. Ich süße zum Beispiel gerne mit Honig statt mit raffiniertem Zucker. Und ich finde Milchprodukte wichtig.“

Die Gemüsekomponenten des Menus sind durchweg saisonale Produkte aus der Region. Mein Besuch findet im Mai statt, es gibt Spargel, junge Karotten, frischen Spinat, Frühlingsmorcheln, Staudensellerie und Rhabarber.

„Damit man Gemüse überhaupt über weite Strecken transportieren und lange lagern kann, dafür muss man es ja auch gezielt behandeln. Das ist dann oft gespritzt und haltbarer gemacht, und das wirkt sich natürlich auf den Geschmack aus.“

Mein Fazit eines sehr intensiven Abends: absolute Empfehlung! Ein tolles Essen, das Feinschmeckerküche modern interpretiert. Mit 320 Euro fürs Menu teuer – aber für mich war es jeden Cent wert. Und die Schliersee Fischerei kommt auf meine Liste für Einkaufsausflüge!

In diesem Sinne: fröhliche Weihnachten!