Die Recyclingquote des gelben Sacks ist umstritten: Branchenvertreter behaupten, 40 Prozent werden verwertet. Anderswo lese ich, es seien nur 23 Prozent. Beide Zahlen jedoch bedeuten: Mehr als die Hälfte wird verbrannt, obwohl Plastik grundsätzlich ein gut verwertbarer Wertstoff sein könnte. Betonung leider auf „könnte“…
Ich weiß noch, wie das Plastikmüll sammeln bei mir begann: Als ich den Konsumkompass schrieb kam Jakob, damals 18 Jahre alt, irgendwann in die Küche und fragte, warum wir eigentlich Plastikmüll nicht getrennt sammeln. Ich fühlte mich ziemlich ertappt und kaufte noch am gleichen Tag einen zusätzlichen Mülleimer. Nun wird einem das Plastikmüll recyceln in meiner Heimatstadt München nicht wirklich leicht gemacht. Einen gelben Sack oder Ähnliches gibt es hier nicht und man muss Wertstoffe zu Sammelcontainern bringen – auch wenn ab 1. Januar wenigstens ein paar nutzerfreundlichere Systeme erprobt werden sollen.
Sisyphos-Arbeit ohne Nutzen?
Jedenfalls habe ich seither eifrig alles, was irgendwie nach Plastik oder Metall aussah, brav separiert und zur Wertstoffinsel gebracht – positiver Nebeneffekt: kaum noch Restmüll. Und war ganz zufrieden mit mir. Bis ich kürzlich beim Drehen im Lager einer Spedition an den Müllcontainern stand. Der Chef zeigte mir, was er trennt: nur durchsichtige Plastikfolie… alles andere, so erklärte er mir, würde in der Recyclinganlage sowieso wieder aussortiert und „thermisch verwertet“ – auf gut deutsch: verbrannt.
Hier sind wir bei einer großen Augenwischerei angelangt: Denn für vieles, was wir der Wertstoffsammlung zuführen, gibt es gar keine Verwertungskette. Oder die Teile sind so klein, dass sich der Aufwand nicht lohnt. Oder die Verpackungen bestehen aus verschiedenen Stoffen, die sich kaum mehr trennen lassen – Tetrapaks, zum Beispiel, von denen oft nur die dünne Aluminium-Schicht verwertet wird, obwohl die Verbundverpackung vor allem aus Pappe und Plastikbesteht… oder schwarzer Kunststoff: Den können die Scanner in den Sortieranlagen schlecht erfassen.
Was wird wirklich recycelt?
Schwer zu sagen. In der Theorie tragen viele Verpackungen einen Recycling Code. Wie der aussieht und was er bedeutet, haben die Verbraucherzentralen auf ihrer Seite zusammengetragen. Diese Angabe ist allerdings freiwillig, und sie sagt auch nicht unbedingt etwas darüber, was dann in der Praxis mit dem Plastik geschieht.
Ich habe mit Carolina Schweig gesprochen – wer meinen SWR-Film über Greenwashing gesehen hat, kennt sie bereits als Verpackungsfachfrau. Sie nennt mir ein Beispiel, wo Plastikmüll mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von der Recyclinganlage in die Müllverbrennung wandert: Die schwarzen Plastikschalen, in denen Obst oft angeboten wird. Diese so genannten Trays sind nicht recycelbar – wir machen es also der Sortieranlage leichter, wenn wir solche Stoffe direkt im Restmüll entsorgen. Noch besser machen wir es indes, wenn wir so etwas gar nicht erst kaufen:
„Wir müssen Druck auf Industrie und Handel ausüben, damit problematische Materialien gar nicht erst verwendet werden.“
Und diesen Druck üben wir aus mit unseren Konsumentscheidungen… Carolina Schweig ist mit dem Ist-Zustand der deutschen Müllpolitik generell sehr unglücklich:
„In Deutschland oder Italien ist eine eindeutigere Kennzeichnung längst Pflicht. Es wäre schön, wenn unsere Politik die letzten 15, 20 Jahre nicht verschlafen hätte.“
Also sind wir gefordert – indem wir Verpackungen, die sich schlecht recyceln lassen, gar nicht erst kaufen:
„Plastik in dunklen Farben, zum Beispiel. Diese an sich wertvollen Stoffe sind fürs Recycling verloren. damit verderben wir den Rohstoff. Als ob etwa Männer nicht auch ohne schwarze Verpackungen in der Lage wären Produkte für Männer zu identifizieren.“
Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die Größe: Folienstücke etwa, die kleiner sind als ein Din A 5 Blatt, fallen beim Sortieren meist durch. Deshalb ist es, so die Expertin, auch sinnvoll, die Deckel von Plastikflaschen und Verbundkartons bei der Entsorgung dranzulassen, weil sie so nicht gleich bei den ersten Sortierdurchgängen ausgesiebt werden.
Der Wertstoff-Wegweiser
Wer meine Bücher kennt, hat diese Tipps alle schon mal irgendwo gelesen – bis auf den Tipp, Deckel dranzulassen – ich war bisher immer davon ausgegangen, dass alles einzeln zu entsorgen sinnvoller ist. Hier werden die sinnvollen Regeln nochmal zusammengefasst:
- Bei Papier funktioniert der Wertstoffkreislauf gut. Da ist Recyceln richtig wichtig. Aber Vorsicht: Beschichtetes Papier kann eine ganze Charge verderben. Deshalb bei Papier, das beschichtet sein könnte erst testen, ob es sich leicht reißen lässt. Falls nein, dann prüfen, ob sich hier eine Folie lösen lässt: Dann kommt idealerweise die Folie in die Wertstoffsammlung und das Papier zum Altpapier. Falls nein: Restmüll!
- Glas gehört unbedingt in den Altglascontainer, auch das ist gut zu recyceln. Noch besser ist es allerdings, den energieintensiven Wertstoff Glas nur für Mehrwegbehälter zu nutzen!
Plastik – ja, da wird es komplex… ich, zum Beispiel, habe meine Lieblingsbodylotion aus dem Bad verbannt, wegen ihrer dunklen Flaschenfarbe. So wenig Plastikverpackungen wie möglich kaufen. Wo es nicht zu vermeiden ist:
- kein dunkles Plastik kaufen
- möglichst leichte dünnwandige Verpackungen wählen
- keine Misch- oder Verbundmaterialien kaufen
- Dünne Joghurtbecher mit Papphülle sind im Prinzip besser, als reine Plastikbecher. Voraussetzung ist aber, dass Sie wirklich diszipliniert Pappe, Plastik und Aludeckel einzeln entsorgen. Bleiben die drei Komponenten zusammen, wandern sie auch aus der Wertstoffsammlung gemeinschaftlich in die Müllverbrennung.
- Verpackungen, die mit der Produktgruppe „7“ oder „o“ wie others gekennzeichnet sind, nicht kaufen, die lassen sich nicht recyceln
- auch das so genannte Bioplastik gehört nicht in die Wertstoffsammlung: Dafür gibt es keinen funktionierenden Wertstoffzyklus. Und weil es, anders als der Aufdruck suggeriert, auch nicht gut verrottet, darf es auch nicht in die Biotonne!
- dann gibt es noch Zellglas – damit verpacken einige Bio-Schokoladenhersteller ihre Tafeln und werben damit, dass dieses Material nun wirklich verottet. Stimmt, und wer zu Hause einen Komposthaufen hat, kann es auch dort entsorgen. In die Biotonne würde ich es trotzdem nicht werfen: Keine Sortieranlage kann das Zellglas von anderem Plastik unterscheiden
Immerhin exportiert Deutschland laut statistischem Bundesamt über 50 Prozent weniger Plastikmüll ins Ausland, als noch vor 10 Jahren. Auch das ist allerdings eine weniger gute Nachricht, als es auf den ersten Blick scheinen könnte – das liegt nämllich nicht an unserer Einsicht, sondern an den strengeren Regeln vieler Länder des globalen Südens: Die nehmen uns unseren Müll schlicht nicht mehr ab.
Wieder mal sind wir an einem Punkt, wo wir den Gesetzgeber brauchen: So lange recyceltes Plastik teurer ist als Neuware, wird die Industrie nicht darauf umsatteln. Und so lange nicht recycelbare Verpackungen nicht verboten sind, wird es sie geben.
WIR sollen Druck auf Industrie und Handel ausüben? Mitnichten!
Ich beklage mich jedes mal bei der Kommune oder höheren Staatsstellen, wenn wieder mal das Recyclen in den schönsten Farben nahegelegt wird! Mit Verweis auf einschlägige TV-Dokus über die Müllverschickung in die Dritte Welt!
Die Politik ist für die Misere verantwortlich! Die sollen den Druck auf den Handel ausüben!!!
Ein schwieriges Thema, Plastik-Recycling:
Ich habe 40 Jahre mit Feuerungsanlagen, bzw. deren Inbetriebnahmen und Emmissions- Einstellungen zu tun gehabt. Dazu gehörten auch Müllverbrennungsanlagen.
Anfangs als Die Lösung in der Abfalltechnik gepriesen und entsprechen vermarktet stellten sich für den Praktiker sehr bald die Schwächen der neuen Technik heraus. Meist wurde parallel dazu Strom produziert und so waren die Prioritäten schnell festgelegt.
Während die Bevölkerung mit Begeisterung begann den Müll zu trennen wurde es für den Praktiker immer schwieriger die Werte einzuhalten und den Kessel mit vernünften Werten einzustellen.
Warum? Durch die Mülltrennung entstand dann logischerweise weniger Restmüll der oft nicht mehr ausreichte den Ofen vernünftig zu betreiben. Dazu gab und gibt es sogenannte Stützfeuerungen die dann einspringen sollen.
Es ist jedoch nicht im Sinne des Erfinders diese Stützfeuerungen ständig einzusetzen.
Also hatte man oft die glorreiche Idee mit dem gelben Sack nachzuhelfen.
10 t gelber Sack in den Ofen und schon war die Welt wieder in Ordnung.
Dies ist nur 1 Beispiel wie schwierig von aussen die Beurteilung einer Maßnahme ist, wenn sie nicht klar kommuniziert ist.
Hut ab vor Leute wie Katharina Schickling, die oft einmal einen Nerv treffen, und damit ausdrücken, dass durchaus Leute da sind, die nicht alle so hinnehmen.
Danke 🙂