Früher war alles besser? Nein, zum 1.1.2022 gibt es tatsächlich einige gute Nachrichten über sinnvolle Veränderungen in Sachen Nachhaltigkeit – und doch haben sie alle einen Haken…
Zum Beispiel der Dauerbrenner Plastiktüte: Seit gestern ist die klassische Einkaufstüte verboten. Deren Verbrauch war allerdings ohnehin schon rückläufig, und der Verzicht auf die Plastiktüte ist nur dann sinnvoll, wenn sie durch ein Mehrweg-Transportmittel ersetzt wird, etwa einen wiederverwendbaren Nylon- oder Baumwollbeutel oder einen Einkaufskorb. Die Papiertüte ist ganz eindeutig keine Alternative: Als Einwegartikel ist ihre Ökobilanz noch schlechter als die der Plastiktüte, wegen der schlechten Energiebilanz bei der Herstellung. Das größere Problem: Die so genannten Hemdchenbeutel in der Gemüseabteilung sind weiter erlaubt, und ihr Verbrauch steigt.
2016 kamen wir Deutschen auf 36 Beutel pro Kopf und Jahr, 2019 waren es schon 44.
Anstatt jetzt viel Zeit damit zu verbringen, uns über zu kurz springende Gesetzgeber zu ärgern, können wir es einfach selbst besser machen: Jedes Plastikbeutelchen an der Obsttheke ist eins zu viel. Und auch hier gilt: Die Papiertüte ist keine sinnvolle Alternative!
Kükentod
454 Millionen männliche Küken von Legehennen wurden bisher jährlich in deutschen Brütereien gleich nach dem Schlüpfen getötet.
Das ist ab sofort verboten. Stattdessen wird nun im Ei schon das Geschlecht der Küken ermittelt.Der Haken hier: Eier vernichten statt Küken klingt immer noch nach Verschwendung, und unglücklicherweise erfolgt die Geschlechtsbestimmung in einem Stadium, wo die Embryonen bereits schmerzempfindlich sind. Also keine zufriedenstellende Lösung.
Hier ist der Ausweg ziemlich einfach: Nur Eier aus Brudertierhaltung kaufen! Wir neigen dazu zu unterschätzen, wieviel Macht wir mit unseren Konsumentscheidungen ausüben können. Wenn die Nachfrage nach Brudertiereiern und -fleisch steigt, wird der Markt diese befriedigen.
Einwegpfand
Ich hatte noch nie verstanden, warum man Eistee pfandfrei in einer Plastiflasche verkaufen durfte. Mit diesem Unfug ist jetzt Schluss; ab sofort gilt das Einwegpfand für alle Dosen und Plastikflaschen. Ganz Gallien? Nein, ein kleines, unbeugsames Dorf namens Milchprodukte hat es dank engagierter Arbeit seiner Lobbyisten geschafft, dass für Milch und Milchmischgetränke das Einwegpfand erst ab 2024 gilt. Verstehen muss man das nicht. Und Wein darf weiterhin in Einwegflaschen gehandelt werden, ohne dass Pfand fällig wird, weil Glas nicht unter die neue Erweiterung fällt.
Auch hier gilt, nicht jammern, nur wundern – und es einfach besser machen.
Mehrweg ist bei allen Getränken die bessere Alternative.
Dabei darauf achten, dass man Getränke in so genannten Poolflaschen kauft – einheitlich gestaltete Flaschen, die nach Rückgabe automatisch in die nächstgelegene Abfüllanlage wandern. Bei Sprudel sind das etwa die Flaschen mit den Glasperlen am Rumpf.
Für die Zukunft wäre mein Traum, dass es noch viel mehr in Mehrwegverpackungen gibt. Alle Arten Obst- und Gemüsekonserven könnte man, zum Beispiel, in den Gläsern abfüllen, die es für Joghurt heute schon gibt.
Elektroschrott
… darf seit gestern direkt dort abgeliefert werden, wo Elektrogeräte verkauft werden.Geschäfte müssen kleine Geräte wie den ausgedienten Taschenrechner oder einen alten Rasierer auch dann annehmen, wenn sie anderswo gekauft wurden. Größere Geräte wie alte Fernseher können nur abgegeben werden, wenn ein neues Gerät gekauft wird. Auch Online-Händler müssen den Elektroschrott kostenlos und unkompliziert zurücknehmen und recyceln.
Ich hoffe sehr, dass diese Regelung dazu führt, dass viel weniger Elektroschrott im Hausmüll landet, weil die Rückgabe so einfacher wird. Noch schöner wäre es, wenn die EU-Ökodesign-Richtlinie, die seit letztem Frühjahr gilt und ebenfalls dafür sorgen soll, dass keine Wertstoffe verschwendet werden, auch für Computer und Handys gelten würde.
Es bleibt also viel zu tun…
… aber es ist doch wahrnehmbar, dass das Thema Nachhaltigkeit weiter in den Focus rückt. Gut so!
Liebe Frau Schickling,
mit Interesse habe ich Ihre Ausführungen zu den genannten Veränderungen gelesen.
Nun weiß ich auch, was ein Brudertier ist, und kann darauf aufbauend meine Fragen stellen:
– Wird man an der Verpackung bzw. am Ei erkennen können, dass das Ei von einer Henne stammt, dessen „Brudertier“ nicht geschreddert, sondern aufgezogen wird?
– Wird es dann auch die – erkennbare – Kombination der Eigenschaften „Brudertier“, „Freilandhaltung“ und „Kein Schnabelkürzen“ geben?
– Ist zu erwarten, dass das Zutreffen all dieser Eigenschaften auch zuverlässig kontrolliert wird?
Mit freundlichen Grüßen
Also…
Brudertierhaltung bedeutet eigentlich immer, dass es um so genannte Zweinutzungsrassen geht. Die sind weniger spezialisiert als Legehennen oder Mastgeflügel (wie es die Natur einst mal vorgesehen hat), d.h. Hennen legen weniger Eier, und die Tiere brauchen mehr Futter und Zeit, bis sie ihr Schlachtgewicht erreichen. Deshalb sind Fleisch und Eier dieser Tiere zwangsläufig etwas teurer. Schon deshalb kann man sich beim Einkauf darauf verlassen, dass Brudertierhaltung ausgewiesen wird: Wer mehr Geld für seine Produkte will, muss das der Kundschaft ja irgendwie plausibel machen.
Ich kenne bislang ausschließlich Brudertier-Projekte im Biobereichsi. Dort ist Auslauf Pflicht und Schnäbelkürzen verboten. Ein Siegel im konventionellen Bereich, das Schnäbelkürzen verbietet, gibt es nicht, in Österreich allerdings ist das Schnäbelkürzen auch im konventionellen Sektor mittlerweile kaum noch üblich. Tu felix Austria…
Was die Kontrollen betrifft: Schwarze Schafe gibt es überall dort, wo es Menschen gibt. Biohöfe werden im Schnitt vier mal in drei Jahren anlasslos kontrolliert, also ohne dass es einen Verdachtsfall oder eine Beschwerde gibt, konventionelle hingegen im Schnitt alle tausend Jahre. Kein Tippfehler!
Insofern lohnt es sich aus meiner Sicht auf alle Fälle, Eier zu kaufen, die aus Brudertierhaltung stammen. Nicht nur individuell, weil es der spezifischen Eierlieferantin besser ging. Sondern auch weil wir als Kundschaft so ein Signal setzen, welche Ware wir wollen.
ich lese den Konsumkompass schon seit längerem. Mal ist er eher unterhaltsam, mal profotiert man von Neuigkeiten oder vertieft sein Wissen. Danke dafür.
Der heutige Beitrag kommt mir sehr optimistisch vor. Hoffentlich haben sie Recht!
Vielen Dank für das Lob – freut mich sehr!
Und zum Jahresanfang, nach einem so dunklen 2021, muss mal ein bisschen Hoffnung erlaubt sein…