Am 2. Juni läuft im SWR Fernsehen meine Doku über nachhaltiges Reisen in Krisenzeiten. Und wie immer sind 45 Minuten viel zu kurz, um alle Geschichten zu erzählen, die mir beim Drehen begegnet sind. Deswegen werde ich in den nächsten drei Wochen diesen Blog für ein paar Reiseandenken nutzen. Los geht es mit einer Bio-Gemüsefarm auf Samos
Astrid Filippis ist aus Liebe Biobäuerin geworden: Die Familie ihres Mannes Kostas hat im Norden der Insel Land einst Land gekauft und dort zunächst Oliven und Wein angebaut, wie so viele hier. Weil diese Früchte oft für den Export kultiviert werden, gibt es da auf Samos auch etliche Bio-Betriebe. Doch die Agroktimas Filippis ist seit 2010 als einziger Hof in der Nord-Ägäis auch für Obst und Gemüse bio-zertifiziert. Einmal in der Woche öffnet der Hofladen im Dorf und wird von Ferienhausbesitzern, aber auch von jungen Familien aus der Gegend geradezu überrannt.
„Ich hatte ja gehofft, dass unser Beispiel etwas mehr Schule machen würde“, erzählt mir Astrid. Aber Samos hat schwierige Zeiten hinter sich: Erst die Finanzkrise, die auch hier deutlich zu spüren war. Dann 2015 die Flüchtlinge: An der engsten Stelle liegt Samos nur einen Kilometer von der türkischen Küste entfernt. Die Flüchtlingsboote an den Stränden schreckten Urlauber ab. Als nächstes kappte Corona die Reisewege der ausländischen Gäste – Tourismus ist der wichtigste Wirtschaftszweig der Insel, die dritte Krise in einem Jahrzehnt brachte das Gefüge immer weiter ins Wanken. Und dazu kam dann noch 2020 ein Erdbeben inklusive Mini-Tsunami. Keine guten Zeiten für Investitionen in nachhaltige Landwirtschaft…
Regional und Saisonal vom Feinsten
Als ich Astrid in Kontakeika im Norden von Samos besuche, sind die Felder gerade frisch gefräst. Die Zwiebelernte ist schon vorbei – aber ein paar Reihen stehen noch: „Für die Ernte nächstes Jahr“, erklärt mir Astrid. Der Hof versuchtso gut wie möglich, autark zu sein. Um Kosten zu sparen, aber auch im Sinne einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft. Deshalb wachsen auf einigen der vorbereiteten Beete auch gerade Zwischenfrüchte – zum Beispiel blau blühende Phacelia. „Das ist gewissermaßen Bienenfutter, das lieben die Bienen hier, und für den Boden ist es auch gut.“
„Schade, dass Ihr nicht in einem Monat kommt“, sagt Astrid. „Dann würdet Ihr hier viel mehr zu sehen bekommen.“ Ich bin auch so schon beeindruckt: Orangen- und Zitronenbäume, die soll voll hängen, wie bei uns Apfelbäume. Etwas beschämt denke ich an das spärliche Zitronenbäumchen auf meiner Terrasse – das hier sieht deutlich imposanter aus.
Das Klima in Samos ist günstig für den Anbau von Obst und Gemüse: Die Insel ist sehr viel grüner und regenreicher, als andere griechische Inseln der Ägäis. Mir gefällt das Konzept des Hofs und des angeschlossenen Hofladens gut: Es gibt nur Ware von den Feldern und immer nur das, was gerade Saison hat.
Ich möchte von Astrid wissen, was sie sich von Urlaubern wünscht, die auf die Insel kommen. „Keinen Müll am Strand hinterlassen“ fällt ihr sofort ein. Vor allem aber möglichst keine Wildkräuter pflücken, sondern lieber kaufen – wer selbst sammelt, riskiert, dass da nächstes Jahr nichts mehr wächst. Deshalb baut sie die typischen Kräuter der Insel gezielt an.
Nach Samos muss man fliegen – das ist natürlich nicht besonders nachhaltig. Doch auf Urlauber kann die Insel nicht verzichten – gerade auch, um mehr Landwirte zu ermutigen, auf Bio umzustellen.
„Ich denke auch, über den Tourismus könnte man viel Einfluss nehmen. Je mehr die Nachfrage auch nach nachhaltigen Produkten ist, desto mehr werden sich auch hier auch Einheimische umstellen. Da sind im Augenblick noch viele Ängste da, aber Urlauber, die gezielt danach fragen, in Pensionen, auf dem Markt, in Restaurants, das würde schon helfen.“
Die Produkte des Hofs kann man mittlerweile auch online kaufen. Astrids und Kostas‘ Sohn lebt in Deutschland und betreibt einen Onlineshop für Bio-Produkte auf Samos. Ein Stück Urlaub für zu Hause…