Forscher der Universität Sydney haben ermittelt, dass immerhin 8 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen aufs Konto von Urlaubsreisen gehen. Wir Deutschen sind da vorne mit dabei: Nur in den viel größeren Ländern USA und China verreisen noch mehr Menschen. Wir sind also wirklich Reiseweltmeister…
Oder vielmehr: Wir waren Reiseweltmeister, bis die Corona-Pandemie unsere Reiselust erheblich gebremst hat – als ich vor zwei Wochen von München nach Italien gefahren bin, waren in der Schweiz praktisch nur Schweizer und in Italien praktisch nur Italiener „on the road“. Vielleicht ein guter Zeitpunkt, darüber nachzudenken, wie sich umweltverträglich urlauben lässt und wie das zur Sorge in Sachen Corona passt. Denn die Sorge vor einer Ansteckung kann zusätzliche Umweltprobleme bedeuten.
Schon Reisen an sich schafft Probleme – wer einfach zu Hause auf seinem Balkon urlaubt, hat unzweifelhaft sowohl das niedrigste Infektionsrisiko als auch die beste CO2-Bilanz. Andererseits verpasst man so auch viele spannende Erfahrungen. Zudem ist der Tourismus gerade für viele arme Länder die wichtigste Einnahmequelle. Und Tourismusforscher unterstreichen auch die völkerverständigende Wirkung von Urlaubsreisen. Als Urlauber steht man hier vor einem gewissen Dilemma: Die Ferien im mittelschlechten All-Inclusive-Hotel bringen der lokalen Wirtschaft meist wenig ein. Andererseits plädieren viele Experten mittlerweile dafür, Tourismus dort zu konzentrieren, wo ohnehin schon Infrastruktur ist – weil das unberührte Natur schont. Der Rucksacktourist im abgelegenen Dschungel hat zwar den niedrigeren CO2-Abdruck, als der Pauschalurlauber mit dem Plastikbändchen ums Handgelenk, zerstört dabei aber möglicherweise schützenswerte Biotope… Übrigens gilt das auch für den Wintertourismus: Die Internationale Alpenschutzkommission CIPRA plädiert dafür, die Skifahrer in den schon erschlossenen Gebieten zu konzentrieren.
Zu den vielleicht erfreulichsten Folgen der Corona-Pandemie gehört das Ende der selbstverständlichen Herumfliegerei.
Klar wäre es noch schöner, wenn wir aus Umweltbewusstsein am Boden blieben, und nicht aus schierer Furcht. Aber für die Umwelt ist das Motiv egal und der Nutzen groß: Pro Personenkilometer verursacht ein Flugzeug 201 Gramm Treibhausgase, ein Auto nur 139 Gramm. Noch viel besser wäre der Zug, der kommt auf nur 60 Gramm. Mit Zahlen des Umweltbundesamtes habe ich einmal nachgerechnet, was das beispielsweise auf der Strecke München – Berlin für die Ökobilanz eines einzelnen Passagiers bedeutet.
- Reisebus (585 km) 18720 Gramm Treibhausgase
- Zug (623 km) 22428 Gramm Treibhausgase
- PKW (585 km) 81315 Gramm Treibhausgase
- Flugzeug (505 km) 101505 Gramm Treibhausgase
Beim Flugzeug passen Virenflucht und Ökobilanz gut zusammen, bei Zug und Bus leider weniger – auch wenn die Bahn nicht müde wird zu beteuern, dass es weltweit kaum nachgewiesene Infektionen in Zügen gebe. An dieser Stelle muss ich mich als Urlauber also entscheiden, zwischen einer maskierten Reise, womöglich aerosol-umzingelt, und der Fahrt mit dem Auto, mit viermal schlechterer Ökobilanz.
Nun kollidieren Corvid 19-Schutzmaßnahmen und Umweltbewusstsein an vielen Stellen: Der große Konfitürentopf auf dem Frühstücksbuffet wäre natürlich weniger müllintensiv als die vielen kleinen Portionspäckchen. In meinem Lieblingsosteria am Lago Maggiore kommen auch Olivenöl, Aceto Balsamico und Parmesan nun in kleinen Plastikpackungen auf den Tisch – viel Plastikmüll… Gleichzeitig sorge ich mich um jeden einzelnen Gastronom und Hotelier – sie haben Gäste verdient. und leiden schwer darunter, dass sich bei uns Deutschen die rechte Reiselust in südliche Gefilde noch nicht wieder eingestellt hat. Irgendwie scheinen Strandleben und Maske nicht so richtig zusammenzupassen…
Wie reisen wir mit gutem Gewissen?
Paolo Fiamma, Professor für Bauingenieurswesen an der Uni Pisa, hat 2015 mit einer Studie Schlagzeilen gemacht: Urlaub im Wohnmobil sei die umweltverträglichste Methode zu reisen. Eindrucksvolle 69 Prozent weniger CO2 würde eine sechsköpfige Familie in 15 Tagen und mit 1000 Kilometern Strecke weniger verbrauchen, als wenn sie den gleichen Trip mit PKW und Hotel absolviert hätte, und zwar am besten mit einem Camper auf der Fiat Ducato Plattform. Finanziert hatte die Studie übrigens, Überraschung, Fiat. Allerdings kam das Freiburger Öko-Institut 2007 zu ähnlichen Ergebnissen.
Wohnmobile sind im Moment die einzige Sparte Kraftfahrzeuge, die so richtig boomt, gegen den allgemeinen Trend. Im Juni wurden in Deutschland laut Kraftfahrtbundesamt knapp 33 Prozent weniger Autos zugelassen, als im Vorjahresmonat – aber 62,2 Prozent mehr Wohnmobile. Gute Nachrichten also für die Umwelt?
Viele Insassen, kurze Fahrtstrecke – in dieser Kombination ist das Campingmobil kaum zu schlagen
Je weiter die Reise geht, desto mehr fallen die schlechteren CO2-Werte des größeren Fahrzeugs ins Gewicht. Die Forscher haben 2013 nochmal nachgelegt, und kamen zu folgenden Treibgasemissionen für Übernachtungen im Sommer:
- Wohnmobil 1,5 kg CO2-Äquivalent pro Person und Tag, vorausgesetzt es wohnen 4 Personen im Wagen
- Campingplatz im Zelt 4,5 kg CO2-Äquivalent pro Person und Tag
- Hotel 17,2 kg CO2-Äquivalent pro Person und Tag
Für Hotel- und Ferienhausfreunde gibt es mittlerweile Portale, wo sich neben Lage oder Pool auch die Ökobilanz der Unterkunft ermitteln lässt: Goodtravel listet handverlesene LIeblingsplätze von zwei Berlinerinnen mit einem Faible für einen gewissen Chic, die in irgendeiner Form nachhaltig wirtschaften. Bookitgreen bietet sogar um die 700 Unterkünfte, die mindestens vier von 15 Nachhaltigkeitskriterien erfüllen müssen, und der Betreiber pflanzt nach eigenen Angaben zusätzlich einen Baum für jede über ihn gebuchte Unterkunft.
Ganz ideal wäre unterm Strich die Anreise mit dem Zug oder Fernbus, um dann vor Ort auf dem Campingplatz ein Wohnmobil zu mieten. Die Übernachtung im Zelt hingegen könnte Corona-technisch wieder suboptimal sein – keine Ahnung, wessen Aerosole mich da in der Campingplatzdusche erwarten… Ich bin ganz ehrlich: Ich möchte trotzdem nicht so gerne zu viert oder sechst in einem Campingbus urlauben, zumal die gute Ökobilanz auch voraussetzt, dass immer im Fahrzeug gekocht und nie im Restaurant gegessen wird – auch das versaut dann nämlich wieder den CO2-Abdruck. Und ich fahre ehrlich gesagt auch in Zeiten von Corona lieber ans Mittelmeer als an den Tegernsee. Aber zumindest habe ich für meinen Urlaub demnächst schon mal mein eigenes Glas Nuss-Nougat-Creme eingepackt, selbst gekocht, im mehrfach verwendeten Einmachglas – müllarm und fein!
Ein spannendes Thema in dieser Woche.
Es ist sicher schwierig Urlaubsreisen anhand von Öko Bilanzen
zu vergleichen und gegeneinander aufzurechnen.
Urlaub und Reisen ist schon fast systemrelevant geworden.
In den letzten Jahren ist das Reisen sicher auch eskaliert, die Preise
sanken fast auf das Lebensmittel Niveau, alles ist möglich, versprach die
Werbung. Mit den entsprechenden Folgen für die Urlauber Destinationen.
Ich lebe auf einem Bergbauernhof und vermiete eine Ferienwohnung,
natürlich tut das weh, wenn innerhalb zweier Wochen fast ein ganzes
Jahr storniert wird, dies sind auch neue Erfahrungen, ich muß aber
gottseidank nicht leben davon.
Aufgrund unserer Lage haben wir jedoch überwiegend ein Publikum
das meiner Meinung sehr nachhaltig lebt und trotzdem mit dem Auto kommt, zwangsweise, weil es mit anderen Mitteln schlecht ist uns zu erreichen.
Oder meine Wenigkeit: ich war Jahrzehntelang als Feuerungstechniker auf der
ganzen Welt unterwegs 120 000 km und 40 000 Meilen im Schnitt und Jahr.
Ich habe durch meine Arbeit in Kraftwerken und auf Schiffen Millionen von
Tonnen CO2 eingespart. Wie schaut jetzt meine Bilanz aus?
Es ist wie gesagt, ein schwieriges Milieu.
Ich wünsche mir für die Zukunft bewußteres Reisen, etwas weniger luxuriös,
vielleicht sollte man die eine oder andere Reiseform endlich auch einmal
durch sinnvolle Gesetze in reguläre Bahnen leiten ( vor allen Kreuzfahrer),
dann würde der Urlaub auch wieder den Stellenwert bekommen, für den
er auch gedacht ist.