79 Cent kostet der Liter Vollmilch aktuell bei Aldi. Das war schon mal sehr viel weniger. Und trotzdem ist das ein Preis, für den weder Bauern halbwegs anständig leben noch Kühe gut gehalten werden können.
Manchmal komme ich sehr ratlos vom Drehen zurück. So wie letzte Woche. Ich war zu Gast in Schleswig-Holstein, auf einem Milchhof eine Autostunde nördlich von Hamburg. Bei einem Landwirt, der sein Geschäft mit viel Herzblut betreibt. Seine 145 Kühe haben täglich Weidegang. Er investiert Zeit und Geld, um nur Kälber zu erzeugen, für die es dann auch tatsächlich einen Markt gibt. Ein schöner Drehtag – es macht Spaß, die Arbeit von jemandem zu filmen, der mit so viel Leidenschaft ans Werk geht und sich Gedanken macht, um das Wohl seiner Tiere.
Mindestens 40 Cent müsste der Milchbauer pro Liter Milch bekommen, damit zumindest seine Betriebskosten gedeckt wären, wobei sein Arbeitslohn dabei schon beschämend niedrig angesetzt ist, in der Größenordnung des gesetzlichen Mindestlohns. Tatsächlich jedoch erhält er aktuell 28 Cent – seine Arbeit ist ein Verlustgeschäft. Nicht weil er schlecht wirtschaftet. Sondern weil der Markt nicht mehr hergibt.
Wenn man das Thema Preisbildung bei Wikipedia sucht, stößt man auf diesen Satz: „Üblicherweise kalkuliert ein Anbieter eine Gewinnmarge/Handelsspanne ein, weil die Gewinnerzielungsabsicht ein Unternehmensziel darstellt.“
Für Milchbauern gilt diese betriebswirtschaftliche Selbstverständlichkeit offenkundig nicht. Da wird schon seit Jahren erwartet, dass die ihre Arbeit unter erheblicher Selbstausbeutung zu Markte tragen.
Ich will jetzt gar nicht schon wieder über unsere Agrarpolitik wettern. Stattdessen mal eine Modellrechnung: 86 Kilo Milch verzehren wir im Schnitt pro Kopf und Jahr. Die teuerste Bio-Milch bei mir im Supermarkt, Bergbauernmilch in Demeterqualität von der Molkerei Berchtesgadener Land, kosten statt 79 Cent 1,59. Die Bauern, die diese Milch abliefern, haben 2019 fast 56 Cent pro Liter erhalten – ein fairer Preis.
Wenn wir nun konsequent immer zu solchen Milchprodukten greifen würden, wo der Ertrag für die Bauern stimmt und das Tierwohl auch, kostet uns das aufs Jahr umgerechnet 68,80 € mehr. Das macht 1,32 pro Kopf und Woche. Und das soll ernsthaft nicht machbar sein?