Manchmal staune ich selbst nach all den Jahren als Journalistin immer noch über die unglaubliche Kaltschnäuzigkeit, mit der uns Äpfel für Birnen verkauft werden. Julia Klöckner, zum Beispiel, unsere Bundeslandwirtschaftsministerin, die letzte Woche allgegenwärtig verkündete, dass die Landwirtschaft gerade vor einem „Systemwechsel“ stehe. Ernsthaft?
Es geht um die „Gemeinsame Agrarpolitik“ der EU, jenes Regelwerk, dass fast die Hälfte des EU-Etats unter Europas Landwirten verteilt. 387 Milliarden Euro an Subventionen sollen in den kommenden sieben Jahren in die Landwirtschaft fließen, fast 40 Prozent des gesamten EU-Budgets. Ich finde es gut, dass es dieses Instrument gibt. Ich finde es auch richtig, dass wir unsere Landwirtschaft subventionieren. Bauern können einen wertvollen Beitrag leisten, unsere Gesellschaft zukunftsfähig zu machen und den Planeten zu retten. Vollmudig war ein Green Deal der EU angekündigt. Die gemeinsame Agrarpolitik hätte dabei ein Baustein sein sollen. Hätte…
Systemwechsel? Fehlanzeige!
Dafür wäre es aber wichtig gewesen, tatsächlich einen Systemwechsel anzugehen. Im Moment fließt der Löwenanteil der Mittel in die so genannten Direktzahlungen, und da wiederum in die Flächenprämie. Kaum ein Hof könnte ohne dieses Geld aus Brüssel wirtschaften. Dass der weitaus größte Teil der Zahlungen an die Größe der Anbaufläche gebunden ist, ohne irgendwelche Auflagen, führt zu unschönen Effekten.
Denn diese Systematik sorgt keineswegs dafür, dass es der bäuerlichen Landwirtschaft gutgeht. Fast alle Landwirte, mit denen ich in den letzten Jahren beruflich zu tun hatte, wirtschaften mehr oder weniger zum Selbstkostenpreis. Der durchschnittliche Hof in Deutschland erhielt laut Zahlen des Bundeslandwirtschaftsministeriums 2019 21000 Euro. Betriebsleiter kalkulieren sich selbst mit Mindestlöhnen und setzen 8 Stunden Tage an, damit die Rechnung etwas weniger schrecklich aussieht, obwohl sie in Wahrheit eher 12 Stunden täglich arbeiten. Und das wird auch in den nächsten 7 Jahren so bleiben. Denn mit kosmetischen Änderungen bleibt alles, wie es war. Und das EU-Parlament hat das im Prinzip bereits abgenickt.
Wohin fließt das Geld?
Wer wirklich von diesem System profitiert, das sind Großbetriebe und noch mehr die Landbesitzer. In die Pacht für landwirtschaftliche Flächen ist die Flächenprämie inzwischen oft „eingepreist“. Landwirte zahlen unverhältnismäßig viel für Ackerflächen. Die Subventionen sind oft eine Art durchlaufender Posten.
Recherchen der taz haben gerade eindrucksvoll gezeigt, wer zu den großen Profiteuren der Flächenprämie gehört. Große Millionenbeträge fließen demnach an Agrar-Holdings, die gezielt in landwirtschaftliche Flächen investieren, weil dort dank der Prämie in Niedrigzinszeiten ordentliche Renditen winken. Eine Studie des staatlichen Thünen Instituts für ländliche Räume hat ermittelt, dass gerade ostdeutsche Agrarunternehmen ortsfremden Investoren gehören, 2017 immerhin 34 Prozent der 853 untersuchten Firmen in allen neuen Bundesländern. 2007 waren es nur 22 Prozent.
Im Griff der Lobby
Dass sich daran für weitere 7 Jahre nichts ändern wird, mag auch daran liegen, wie gut die Lobby der Großbauern im EU-Parlament vertreten ist. Greenpeace hat 2018 den EU-Agrarausschuss unter die Lupe genommen: gleich 25 der 46 Mitglieder sind eng mit der Agrarwirtschaft verbunden – als aktive oder ehemalige Landwirte, Gesellschafter oder Vertreter der Agrarindustrie. CDU-Agrarpolitker Peter Jahr, zum Beispiel, der laut Spiegel nicht nur selbst ordentlich mit Subventionen bedacht wird sondern auch noch als Gesellschafter zweier Firmen.
Uns als Verbraucher*innen bleibt vor diesem Ärgernis nur eines: gezielt Produkte von Bauern kaufen, die so mit Umwelt und Tieren umgehen, wie wir uns das wünschen. Die nachhaltig wirtschaften. Wo möglichst wenig Stationen zwischen uns und den Erzeugern unserer Lebensmittel liegen. Auf Wochenmärkten. Mit Direktvertrieb übers Netz. Denn darauf, dass unsere Politik Weichen stellt, die die Dinge zum Besseren wenden, können wir offenkundig nicht vertrauen. Eine verpasste Chance!
Kompakt, klar, Klasse!