Nachhaltigkeit ist zunehmend ein Verkaufsargument für Produkte aller Art. Dabei wird mit unserem schlechten Gewissen viel Geld verdient. Mit Mogelpackungen und Etikettenschwindel, mit gekauften Studien, die vermeintliche Öko-Mythen entlarven und in Wahrheit nur bestimmte Produkte promoten sollen. Für die Dokureihe betrifft: im SWR bin ich auf Spurensuche gegangen, auf der Suche nach Ökotricksern und Nachhaltigkeitslügen.
Wir möchten so gerne alles richtig machen. Wir haben immer wieder das Gefühl, dass wir noch mehr tun könnten. Weniger Plastik verwenden, oder wenigstens das richtige. Bewusster Einkaufen. Diese Sehnsucht macht uns zu dankbaren Opfern von Greenwashing aller Art.
Zum Beispiel bei der Suche nach der richtigen Getränkeverpackung: Durch die Medien kursiert immer wieder die Meldung, dass Verbundkartons bei Saft und Milch viel nachhaltiger seien, wegen ihres geringen Gewichts und weil Pfandflaschen so weit transportiert würden. Die Studie, auf die sich dabei alle berufen, stammt vom renommierten IFEU-Institut, ist aber trotzdem schlicht falsch. Auftraggeber war ausgerechnet die Verbundkartonindustrie, und die hat IFEU falsche Zahlen geliefert, die das Institut ungeprüft übernommen und zugrunde gelegt hat. Thomas Fischer, Leiter für Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umweltstiftung kritisiert, dass es diese Art Gefälligkeitsstudien immer öfter gibt.
Mogelpackung Meeresplastik
Immer mehr Herstellerwerben etwa damit, dass sie Meeresplastik recyceln und daraus Einwegflaschen oder Sportbekleidung herstellen, Adidas zum Beispiel. Klassisches Greenwashing: Einwegflaschen bleiben auch aus Recyclat eine Ökosünde. Und oft ist der tatsächliche Anteil von Plastik aus dem Meer so gering, dass man hier eigentlich nur von einem Marketinggag sprechen kann, zumal die Abfälle bis 50 Kilometer von der Küste entfernt gesammelt werden – nicht gerade das, was wir Kunden unter Meeresplastik verstehen. Für Andrea Stolte vom Umweltverband WWF ist Ozeanplastik eine reine Marketingmasche.
Auch bei den Alternativmaterialien wird getrickst: Beliebtes Material für Kaffeebecher und Campingteller ist neuerdings Bambus. Ist aber de facto Plastik, weil dabei die wenigen Bambus-Fasern mit dem Kunststoff Melanin so verklebt werden, dass man sie nie wieder trennen und recyceln kann. Für heiße Getränke ist der Stoff zudem besonders ungeeignet, weil heiße, säurehaltige Getränke – und genau das ist etwa Kaffee – Giftstoffe herauslösen, die im Verdacht stehen, Krebs zu erregen.
Milchmädchenrechnungen zu Lasten der Umwelt
Zuweilen führt die Strategie, Kunden mit ökologischer Anmutung zu gewinnen, sogar zum direkten Gegenteil: Frosta stellt gerade seine Tüten für Tiefkühlgemüse von Plastik auf Papier um. Fühlt sich für die Kundschaft besser an, ist aber ein echter Schildbürgerstreich: Denn als Einwegartikel ist die Ökobilanz von Papier noch schlechter als die von Plastik. Generell sind die Greenwashing-Produkte ein Problem, weil sie das Gewissen beruhigen, ohne der Umwelt zu nutzen: Müllvermeidung wäre viel sinnvoller – aber weniger Konsum bedeutet eben auch weniger Umsatz und Gewinn…