Ich hätte nicht gedacht, dass es Bereiche gibt, wo mir ein Ressourcenproblem bislang komplett durch die Lappen gegangen ist. Bis mir meine Freundin und Kollegin Andrea Zimmermann von ihrem jüngsten Filmprojekt für die ZDF-Reihe Planet E erzählte

Es geht dabei um die Pflanzen, die uns in eine Wolke wohliger Düfte hüllen: die Inhaltsstoffe von Parfums. Und paradoxerweise sind dabei besonders hochwertige Produkte besonders umweltgefährdend… Ich habe mit Andrea ein Interview zu ihren Recherchen geführt.

Katarina Schickling: „Ich muss ehrlich zugeben, dass ich mir nie Gedanken darüber gemacht hab darüber, ob mein Parfum ein Nachhaltigkeitsproblem haben könnte…“

 

Andrea Zimmermann: „Ich bin da auch eher aus Zufall drauf gestoßen, weil ich auf der Suche nach einem neuen Parfum war, und ich habe mir überlegt welche Duftnoten gefallen mir besonders, bei Parfums, die ich seither hatte. Das waren unter anderem Düfte, die Vetiver enthalten. Ich wusste nicht so genau, was ist denn Vetiver? Ich habe das nachgeschlagen und herausgefunden, dass das die Wurzel des Süßgrases ist. Und dann stand aber sofort dabei „gefährdet“, auf der Liste des Artenschutzes. Ich habe mich gefragt, wenn es verwendet wird, woher kommt das, wer kontrolliert das und mache ich mich damit zur Umweltsünderin? Ist das nachhaltig produziert oder nicht?

Dann war ich im Urlaub im Grasse und bin durch die Fragonard-Parfumanlage gegangen, als Besucherin. Dort wurde ganz stolz eine Karte aus Kolonialzeiten präsentiert, die zeigte, woher über Jahrhunderte die Rohstoffe herkommen. Ich habe die wichtigsten nachgeschlagen und gesehen, dass neben Vetiver auch Sandelholz, Patschuli oder Weihrauch alles hochgefährdete Arten sind. Bei meinen weiteren Recherchen habe ich dann festgestellt, dass die Rohstoffgewinnung von Parfums zuweilen nicht ganz so nachhaltig ist. Das Problem ist das fehlende Bewusstsein in diesem Bereich, im Gegensatz zu Lebensmitteln, wo jeder fragt, wo die Kakaobohnen und der Kaffee herkommen und ob das fair gehandelt ist, nachhaltig, ohne Pestizide und so weiter.“

 

Katarina Schickling: „Von was für einer Dimension reden wir hier? Wieviele Parfums, die jetzt im Handel sind, sind davon betroffen?“

 

Andrea Zimmermann: „Das ist ganz schwer nachzuvollziehen, weil jedes große Parfum-Haus vier neue Duftnoten pro Jahr auf den Markt bringt. Im Moment sind schwere Düfte im Trend, die enthalten dann oft Adlerholz, auch bezeichnet als „Oud“ oder Rosenholz – ein besonders problematischer Stoff! Bei Billigparfums kann man davon ausgehen, dass die meist synthetische Stoffe verwenden, aber gerade bei hochpreisigen Parfums werden sehr viele Pflanzen verarbeitet, die unter Artenschutz stehen.“

 

Katarina Schickling: „Das ist interessant! Ich würde ja als Kundin immer denken, wenn ich mehr Geld ausgebe, dann bekomme ich ein besseres und im Zweifel auch nachhaltigeres Produkt!“

 

Andrea Zimmermann: „Ja das ist das tückische. Wenn ich ein teures Parfum kaufe, lege ich Wert auf natürliche Inhaltsstoffe. Wenn ich 120 EUR bezahle, erwarte ich eigentlich, dass alles in Ordnung ist, also dass es nachhaltig produziert, ohne Pestizide, und dass sich der Parfümgigant darum kümmert, dass ich mir als Kundin keine Gedanken mehr machen muss. Und wir haben ja auch keine Labels. Bei Parfums gibts nicht Fairtrade und nicht Öko, es gibt überhaupt keine Labels für Parfum.“

 

Katarina Schickling: „Ist irgendeine Art von Herstellung von Kennzeichnungsrichtlinie in Arbeit, ist es das was, wo die EU vielleicht schon dran ist, oder ist es einfach eine Lücke, die noch keiner entdeckt hat?“

 

Andrea Zimmermann: „Es eine Lücke. Es gibt eine Kennzeichnungspflicht, was Stoffe angeht, die Allergien auslösen, und es gibt natürlich eine Kontroll- und Qualitätspflicht, also Grenzwerte für Pestizide, aber was selten und geschützte Pflanzen angeht, gibt es noch keine Richtlinien bei Parfums. Pflanzen sind, was Naturschutz angeht, benachteiligt. Wir reden bei Pflanzenschutz vom Schutz des Regenwaldes, eines riesigen Habitats, aber wir reden nie von einzelnen Pflanzen. Vetiver, das Süßgras hat keine Lobby. Es hat keine Kulleraugen, die einen anschauen und sagen: bitte kauft mich nicht! Bei Elfenbein wär ein Riesenaufschrei da, aber es ist eben nur eine Wurzel, nur eine kleine Pflanze.“

 

Katarina Schickling: „Habe ich denn dann überhaupt eine Möglichkeit, wenn ich mir jetzt was kaufe, herauszufinden, ob die Hersteller mit bedrohten Pflanzen arbeiten und ob diese Pflanzen wenigstens aus einer Art zertifiziertem Anbau stammen?“

 

Andrea Zimmermann: „Ganz klar nein, das kriegt man nicht raus. Parfum wird von den Herstellern auch nicht über Nachhaltigkeit vermarktet, sondern über den Luxusgedanken, das Edle, Seltene. Die englische Umweltschutzorganisation Traffic arbeitet an einer App, wo man Pflanzennamen eingeben kann und erfährt, ob das bedrohte Wildpflanzen sind und dass die höchstwahrscheinlich illegal geerntet wurden, und im nächsten Schritt wird es irgendwann eine App geben, wo man einfach die Packung scannt und etwas über den Inhalt erfährt. Und dann kann man das zurückspielen an die Parfumhersteller und zum Beispiel Chanel fragen: „Woher bekommst Du Dein Vetiver?“ Und die Giganten dann damit etwas unter Druck setzen. Aber das liegt noch in weiter Zukunft.“

 

Katarina Schickling: „Gibt es diese bedrohten Pflanzen auch aus zertifiziertem Plantagenanbau, wo es okay wäre, sie zu verwenden?“

 

Andrea Zimmermann: „Man muss schon sagen, dass die Industrie das Problem erkannt hat.  Die Wilderei bedroht ja auch deren Nachschubquellen. Givaudan als weltweit größter Hersteller von Duftstoffen betreibt in Indonesien eigene Plantagen, zum Beispiel für Vetiver in Indonesien, weil sie die Pflanze auch vor dem Aussterben bewahren wollen – ohne Rohstoffe sägen sie sich ja den Ast ab, auf dem sie sitzen. Sie beschäftigen da auch die Einheimischen, die statt irgendwo zu wildern dort ein Einkommen haben.  Qualitativ ist dieses Vetiver genau so gut wie das, was man aus der Wildnis holt.“

 

Katarina Schickling: Gibt es Inhaltsstoffe, wo Plantagenanbauten nicht funktioniert? Wo also automatisch immer klar ist: Das ist eine Umweltsünde?“

 

Andrea Zimmermann: „Bei Adlerholz kann man davon ausgehen. Das ist nur aus der Wildnis zu bekommen. Alles, was da bisher gezüchtet wird, kommt qualitativ nicht annähernd an das Original heran. Adlerholz, da ist die Quelle der Aquilaria- Baum, in Indonesien, Vietnam und Kambodscha. Wenn der verletzt wird, dringen Pilze ein, und der Baum wehrt sich mit der Bildung eines Harzes. Diese Vermischung aus Holz, Pilz und Harz erzeugt einen einzigartigen Duftstoff, den man weder synthetisch kopieren noch züchten kann. Man hat versucht, das zu imitieren, auf Plantagen, mit rostigen Nägeln, um den Baum dazu zu bringen, dass er seine Heilfunktion anwirft und dieses Harz bildet. Es funktioniert so aber nicht.“

 

Katarina Schickling: „Unter welchem Namen würde das jetzt auf der Zutatenliste meines Parfums auftauchen?“

 

Andrea Zimmermann: „In der Regel als „Oud“, das ist der arabische Begriff für Adlerholz, seltener auch als Agarwood.“

 

Katarina Schickling:. „Also wenn das drin ist, dann sollte ich generell die Finger davon lassen?“

 

Andrea Zimmermann: „Im Grunde ja. Die großen Parfum Hersteller sagen sich, wir brauchen diese Duftstoffe, die sind begehrt und die sind selten, und je seltener sie sind, desto umkämpfter sind sie auf dem Rohstoffmarkt. Also machen die mit den Großhändlern einen ganz strengen Vertrag und sagen, die Rohstoffe dürfen nur aus geschützten Beständen kommen. Damit hat sich der Parfümeur abgesichert. Die Großhändler – und Frankreich, beispielsweise ist weltweit der drittgrößte Importeur von Adlerholz – verlangen dann von ihren Rohstofflieferanten ein Zertifikat, dieses Zertifikat bekommen sie dann auch, aus Vietnam und Kambodscha. Wir haben uns bei unserem Dreh vor Ort erkundigt: Die sind fast alle gefälscht. Es ist so leicht, so ein Zertifikat zu fälschen, und die Gewinnspanne ist enorm. Bei Adlerholz reden wir von 30000 bis 100000 EUR pro Kilo – da wäre auch in weniger korrupten Ländern die Versuchung groß.“

 

Katarina Schickling: „Fallen Dir bekannte Düfte ein, wo das drin ist?“

 

Andrea Zimmermann: „Speziell Männerparfums haben oft Oud drin, das ist eine schwere, orientalisch anmutende Duftnote. Bei Frauen gibt es einige Abendparfums, etwa von Guerlain, Chanel oder Dior. Das sind Düfte, die sich nicht so schnell verflüchtigen, denn Adlerholz hat die tolle Eigenschaft für Parfümeure, dass es leichtere, ätherische Duftstoffe gut fixiert.“

 

Katarina Schickling: „Wenn ich jetzt alles richtig machen möchte und mir ein hochwertiges Parfum kaufen will, und ich mir sicher sein will, dass dafür keine geschützte Pflanzen verwendet worden sind, wie gehe ich da vor?“

 

Andrea Zimmermann:  „Dann würde ich die Inhaltsstoffe überprüfen und schauen, ob Parfums mit Pflanzen sind, die nicht gefährdet sind, aus dem regionalen Bereich. Wildrosen, zum Beispiel, sind bei uns nicht gefährdet, die kann man in Grasse auch wunderbar anbauen. Je weniger die Pflanzen aus exotischen Gefilden kommen, desto sicherer kann man sein und desto besser lässt es sich auch überprüfen, auch was das Thema Pestizide betrifft.“

 

planet e: Parfüm – der große Duftraub steht in der ZDF-Mediathek:

https://www.zdf.de/dokumentation/planet-e/planet-e-parfuem—der-grosse-duftraub-100.html