Wo die Fair-Trade-Ökoprodukt-Gutmenschen-Welt klar endet, ist an unseren Füßen. Turnschuhe bestehen praktisch immer größtenteils aus Erdöl-Produkten. Die Stiftung Warentest hat Materialien und Herstellung 2015 unter die Lupe genommen und konnte damals keinem Hersteller ein uneingeschränkt gutes Zeugnis ausstellen.
Während ich diesen Text schreibe, steht mein ICE im Bahnhof Braunschweig. Auf dem Bahnsteig gegenüber warten 12 Menschen auf ihren Zug. 10 von ihnen tragen Sneaker… offensichtlich also schwer im Trend, die bequemen Treter… Und ich frage mich, wie groß das Umweltproblem eigentlich ist, dass durch die bequemen Treter verursacht wird…
Die schweizer Unternehmensberatung Quantis hat nachgerechnet: Demnach kommt ein typisches Paar Sneaker auf eine Ökobilanz von etwa 13,6 Kilogramm CO₂-Äquivalenten. Allein in Deutschland werden jährlich über 380 Millionen Paar entsorgt, in den Ländern der EU 2,5 Milliarden. Damit wäre die Sneaker-Industrie laut der Quantis-Studie für 1,4% der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Zum Vergleich: Alle Flugreisen weltweit kommen auf 3,5% aller Emissionen.Wir reden hier also von einer durchaus relevanten Menge!
Was macht den Sneaker zur Ökosünde?
Das Hauproblem ist das Thema Plastik – erdölbasiert, in aller Regel. Und auch Leder bietet keine sonderlich gute Ökobilanz, ganz abgesehen von den problematischen Haltungsbedingungen vieler Tiere. Das schwierigste Material steckt in der Sohle: EVA (Ethylvinylacetat), ein unter Druck aufgeschäumter Kunststoff, und PU (Polyurethan), beide finden sich in den meisten Zwischensohlen von Laufschuhen. Beide Kunststoffe sind praktisch nicht biologisch abbaubar. Weil sie leicht sind und Stöße gut dämmen, sind sie gerade bei Laufschuhen sehr beliebt. Echte Alternativen aus natürlichen, biologisch abbaubaren Stoffen gibt es bisher nicht.
Das nächste Problem ist der Ort der Produktion: meist China. Wir haben also einmal lange Transportwege. Dann die legendär schwierigen Arbeitsbedingungen… So lange wir nur ein recht windiges Lieferkettengesetz haben, das Hersteller nur sehr halbherzig zwingt, ordentliche Bezahlung, ein giftfreies Arbeitsumfeld und eine Produktion ohne negative Umweltfolgen sicherzustellen, haben wir beim Kaufen kaum eine Chance, verlässlich gute Produkte zu bekommen
Die Bemühungen der Hersteller
Branchenriesen wie Adidas oder Nike haben Nachhaltigkeit als Marketing-Instrument für sich entdeckt und werben damit, auf recyceltes Material zu setzen. Die Grenzen zum Greenwashing sind dabei zuweilen fließend. Adidas, zum Beispiel, wirbt damit, Meeresplastik zu verarbeiten. Vor meinem inneren Auge sehe ich da natürlich sofort die arme Walkuh mit dem vielen Plastik im Magen. Plastik aus den Weltmeeren fischen? Super! Stimmt aber leider nur so halb. Meeresplastik ist nach der Adidas-Definition in Wahrheit Plastik, das irgendwo im 50-km-Umkreis von Küsten eingesammelt wurde. Wenn das recycelt wird, ist das natürlich trotzdem gut. Allerdings ist das sinnvolle Verwerten von Pet-Flaschen, daraus wieder Pet-Flaschen zu machen. Die Flaschen zu Sneakern zu verarbeiten ist extrem energieaufwändig. Ich verbrauche also viel Erdöl, um Erdöl zu sparen – irgendwie nicht so schlau!
Nike wiederum wirbt damit, dass man abgenutzte Schuhe abgeben könne, die würden dann recycelt. Klingt vorbildlich – allerdings haben Kolleg:innen von mir recherchiert, dass Nike die Schuhe einfach nur schreddert und entsorgt. Schlimmer noch: Im Schredder landen auch neue Schuhe, etwa aus Retouren.
Schuhe mit sauberer Bilanz
Das Umweltportal Utopia hat eine Liste von Herstellern zusammengestellt, die sich ernsthaft um mehr Nachhaltigkeit bemühen. Die alternative Materialien verarbeiten, oder die mit echten, ökologisch sinnvollen Recyclingprodukten arbeiten. Hersteller, die entweder in Europa produzieren, oder die sich dazu verpflichtet haben, für faire Arbeitsbedingungen im globalen Süden zu sorgen.
Der wichtigste Ökokniff: ein langes Leben! Schuhe pfleglich behandeln und möglichst lange nutzen. Oder gleich Second Hand kaufen – gerade Sneaker lassen sich so gut reinigen, dass das kein Hygienethema sein muss. Und ansonsten:
- Gerade bei Schuhen lohnt sich die Investition in hochwertige Qualität – ein Schuh, der sich reparieren lässt, hat immer die bessere Ökobilanz. Mein Schuster wundert sich immer, wenn ich Lieblingsstücke für 20, 30 Euro reparieren lasse, wo man doch so billig neue Schuhe kaufen kann – aber so ist es nachhaltiger!
- Leder, das als Nebenprodukt der Fleischgewinnung anfällt, erkennt man am Siegel „Naturleder IVN“ zertifiziert“
- In Hamburg und im Netz gibt es die „Sole Rebels“ – Schuhe mit einem Klima-Fußabdruck nahe null. Hergestellt aus nachwachsenden Rohstoffen in Äthiopien, von Arbeitern, die dreimal so gut bezahlt werden, wie dort sonst üblich. Die Sohlen sind aus recycelten Altreifen. Und trotzdem sind die Schuhe nicht teurer, als konventionelle Ware.
- In Berlin gibt es ein Start Up, das Turnschuhe vor der Tonne bewahrt: „Sneaker Rescue“
- Bei hochwertigen Wanderschuhen bieten die meisten Hersteller eine Neubesohlung an. Das kostet zwischen 70 und 120 Euro und ist unter Nachhaltigkeitsaspekten unbedingt enpfehlenswert – meist werden dabei auch gleich die Nähte mit saniert
Und zum Schluss noch ein Lese- und Hörtipp: Sneakerjagd – die Schuhe von 11 Promis wurden mit GPS-Trackern versehen entsorgt. Die Reise der Altschuhe ist hochspannend!