Als Studentin habe ich immer so gerechnet, wenn es um Urlaube ging: Was brauche ich an Benzin? Und was würde im Vergleich die Zugfahrt kosten? Flüge waren damals, vor der Ära Eaysjet, weit außer meinen finanziellen Möglichkeitenaber beim Vergleich Zug-Auto habe ich mir die Kosten immer schön gerechnet. Mit diesem Phänomen bin ich nicht alleine, wie eine Studie zeigt. Und das ist ganz schlecht für die nötige Verkehrswende

In solchen Heftchen, die es damals an der Tankstelle gab, notierte mein Vater feinsäuberlich alle Kosten des Autos

Als mein Vater starb, räumte ich die Unterlagen in seinem Arbeitszimmer auf. Dabei fand ich in seinen Unterlagen einige Oktavhefte, in denen er von 1964 bis 1978 akribisch sämtliche Ausgaben aufgelistet hatte, die seine Autos verursacht haben, Benzin, Werkstatt, Kaufpreis, Wertverlust… Die ersten zwei eigenen Autos, noch als Student in Tübingen gekauft, waren VW Käfer, Modell Export und dann ein 1200er. Mit wachsendem beruflichen Erfolg kam dann auch der Autoaufstieg: als junger Fernsehredakteur beim Süddeutschen Rundfunk, mit einem BMW 1800 und dann einem BMW 2000. Der dunkelblaue 200er ist das erste Auto, an das ich bewusste Erinnerungen habe. Ich weiß sogar noch das Autokennzeichen, S-AC 7710

Die Heftchen meines Vaters sind tolle Dokumente: Zum Beispiel gibt es hinten Verzeichnisse der Autokennzeichen, vor den Ostverträgen etwa die Liste „Kraftfahrzeug-Kennzeichen der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands“. Ich staune über die damaligen Preise: 2000 DM hat der zweite Käfer 1965 gekostet. Das deutsche Durchschnittseinkommen lag damals bei 9229 DM im Jahr. Meine Eltern, gerade mit dem Studium fertig und frisch verheiratet, haben sich also etwas geleistet.

Historische Benzinschleudern

Ein bisschen schauert es mich aber auch: Wir sind in einer Zeit, kurz bevor der Club of Rome die Grenzen des Wachstums beschreibt, wo ein Bewusstsein für Umweltprobleme noch sehr zaghaft keimt. Die Autos meines Vaters verbrauchen ganz schön viel Benzin: Der zweite Käfer liegt bei 9 Litern auf 100 Kilometern, der BMW 1800 bei satten 12,7 – verbleit, ohne Abgasfilter oder Katalysatoren… in diesen Jahren wird der Grundstein für unsere heutigen Probleme gelegt…

Was ich wirklich interessant finde: Mein penibler Vater hatte damals tatsächlich einen präzisen Überblick darüber, was ihn seine mobile Freiheit kostete: Einschließlich Wertverlust waren es beim BMW 1800 319,37 DM jeden Monat, beim größeren Nachfolge-BMW sogar 445,31 DM. Vor dem Hintergrund der damaligen Einkünfte ganz schön viel Geld, aber immerhin traf er diese Entscheidung, als Kind des Wirtschaftswunders bewusst, in genauer Kenntnis der Dimensionen.

Was Autos wirklich kosten

Das hat er vielen seiner Landsleute deutlich voraus: Denn kaum etwas rechnen wir uns so sehr schön, wie die Kosten unserer Autos. Dazu gibt es harte Fakten, ermittelt von Forschern des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen und der Uni Yale, für einen Artikel in der renommierten Fachzeitschrift Nature:

Demnach unterschätzen deutsche Autobesitzer:innen die Gesamtkosten ihres privaten Fahrzeugs systematisch um bis zu 50 Prozent. Die Befragten bewerten die Gesamtkosten des Autobesitzes im Schnitt 221 Euro pro Monat zu niedrig, das sind stolze 52 Prozent der eigentlichen Kosten. Diejenigen, die sämtliche Kostenfaktoren berücksichtigten, schätzen sie immer noch um durchschnittlich 161 Euro bzw. 35 Prozent zu niedrig ein. Unterschätzt werden gemäß der Studie vor allem der Wertverlust des Automobils, aber auch Fixkosten wie Steuern und Versicherungen sowie Reparaturkosten. Einzig die Kosten des Treibstoffs werden von den Verbraucher:innen im Durchschnitt weitgehend korrekt bewertet – ich fühle mich spontan an meine Studentenzeit erinnert…

Besonders ärgerlich ist diese Fehleinschätzung, weil sie gemäß der Analyse konkrete Folgen dafür hat, welche Verkehrsmittel wir nutzen: Eine Hochrechnung der Forscher ergibt, dass mehr Transparenz bei den wahren Kosten des Autobesitzes den Pkw-Bestand in Deutschland im besten Fall um bis zu 37 Prozent senken könnte. So würden 17,6 Millionen Autos von den Straßen verschwinden, CO2-Emissionen von 37 Millionen Tonnen pro Jahr könnten auf diesem Wege eingespart werden – das entspricht 4,3 Prozent der deutschen Gesamtemissionen bzw. 23 Prozent der Emissionen aus dem Transportsektor.

Einfach mal nachrechnen

Vielleicht sollten wir uns auf mehr Kostenkontrolle rückbesinnen. Die chicen Oktavheftchen gibt es glaube ich nicht mehr, an der Tankstelle, aber dafür hat das Internetportal mobile.de auf seiner Seite einen Kostenrechner, mit dem man sich einen Überblick verschaffen kann. Ich bin weit davon entfernt, das Angebot der Deutschen Bahn für ideal zu halten. Aber verglichen mit den echten Autokosten, ganz abgesehen von der Emissionsbelastung, ist Bahnfahren ein echtes Schnäppchen!