Damit Kühe Milch geben, müssen sie jedes Jahr ein Kälbchen zur Welt bringen. Männlicher Nachwuchs ist dabei nutzlos. Aufzucht und Mast sind teuer, sie werden nach wenigen Monaten geschlachtet. Das sogenannte „weiße“ Kalbfleisch wird oft teuer verkauft. Als Wiener Schnitzel gilt es als Delikatesse. Deutschland ist auf eine hohe Milchleistung spezialisiert. Rund vier Millionen Kühe in Deutschland produzieren mehr als 33 Millionen Tonnen Milch im Jahr.
Als ich klein war, war Kalbsschnitzel neben Brathähnchen das einzige Fleisch, das ich freiwillig gegessen habe. Wiener Schnitzel ist bis heute ein LIeblingsgericht von mir, und natürlich vom Kalb. Allerdings kann ich diese Delikatesse guten Gewissens nur noch essen, wenn ich das Schnitzel selbst gekocht und vor allem das Fleisch selbst eingekauft habe. Kalbfleisch ist nämlich ein richtig schwieriges Produkt, wie ich seit den Dreharbeiten für meine Zoom-Reportage weiß, die morgen Abend um 22:45 Uhr im ZDF läuft – und jetzt schon in der Mediathek abrufbar ist.
Wie sieht das kurze Leben der Kälber aus? Sorgen der hohe Preis und das hochwertige Image der Ware Kalbfleisch auch für besonders hohe Standards in der Kälberaufzucht? Ein ernüchternder Blick hinter die Kulissen der deutschen Landwirtschaft…
Das kurze Leben der Kälber
Gleich nach der Geburt werden Kälber üblicherweise von ihren Müttern getrennt – damit sie nicht die wertvolle Milch trinken, von der die Milchbauern leben. Das in Deutschland gehandelte Kalbfleisch stammt fast ausschließlich von Milchkuhrassen. Da die jedoch vorwiegend auf Milchleistung gezüchtet sind, ist ihre Aufzucht für die Fleischproduktion nicht effektiv. Entsprechend niedrig sind die Preise – ein Bullenkalb bringt aktuell um die 50 Euro. Schon ein einziger Tierarztbesuch kostet mehr. Die Zeit bis zum Weiterverkauf kostet die Bauern 120 bis 200 Euro – die kleinen Stiere sind also ein Verlustgeschäft.
Neugeborene Kälber sind empfindliche Tiere. Zwischen 10 und 20 Prozent der in Deutschland geborenen Kälber erreichen nicht den vierten Lebensmonat. Frigga Wirths von der Akademie für Tierschutz hat dafür eine Erklärung:
„Wenn ein Kalb so wenig einbringt, ist es natürlich für den Betrieb absolut unwirtschaftlich, irgendwas an Arbeit in dieses Tier zu stecken. Das Kalb, das eh nichts wert ist, fällt dann hinten runter.“
Auch den überlebenden Kälbern geht es nicht gut: Unsere Milch ist extrem billig. Doch für Kälber ist sie immer noch zu teuer. Die werden den größten Teil ihres Lebens mit einem Gemisch aus Milcheiweiß und Palmöl aufgezogen, dem so genannten Milchaustauscher. Sie leben in winzigen Einzelabteilen des Stalls und werden aus Eimern gefüttert, mit Gummizitzen.
Ein Großteil der weiblichen Tiere bleibt in der Regel auf dem Hof – die Milchkühe von morgen. Männliche Kälber hingegen werden mit zwei bis drei Wochen an Bullenmäster verkauft. Dort bleiben sie für den Rest ihres kurzen Lebens auf 1,8 Quadratmetern pro Kalb, auf Spaltenboden, durch den sie ihren Kot in die Güllegrube treten.
Warum die Farbe weiß bei Kalbfleisch ganz schlecht ist:
Deutsche Kunden sind daran gewöhnt, dass Kalbfleisch fast weiß ist und halten das für eine besondere Delikatesse. Die Kälber erhalten deshalb auch in einem Alter, in dem sie normalerweise von der Milch entwöhnt und – auf einer Weide – einfach grasen würden, weiter viel Milch und kaum so genanntes Rauhfutter aus Gras, Heu oder Stroh. Denn das enthält viel Eisen und würde das Fleisch der Kälber rot färben – rotes Kalbfleisch verkauft sich schlechter und zu niedrigeren Preisen. Experten halten diese Milch-Mast für nicht artgerecht. Prof. Thomas Wittek von der Uniklinik Wien hat bei seinen Untersuchungen auf Schlachthöfen festgestellt, dass viele Tiere unter Eisenmangel litten:
„Diesen Eisenmangel muss ich in der Fütterung auslösen, um weißes Fleisch zu erzeugen. Wenn der Verbraucher ein dunkles Kalbfleisch akzeptiert, wären wir das Problem mehr oder minder los.“
Natürlich gäbe es längst Konzepte für einen Umgang mit Kälbern, die den Bedürfnissen der Tiere näherkommt: die muttergebundene Kälberaufzucht, wo die Kälber wenigstens in den ersten Wochen bei ihren Mutterkühen bleiben und dadurch nachweislich deutlich weniger krankheitsanfällig sind. In Deutschland eine winzige Nische – nur 15 Prozent der Milchkühe behalten ihre Kälber bei sich. Kerstin Barth vom Thünen-Institut in Westerau will mit ihrer Forschung dazu zeigen, dass Weidehaltung auch in der Kälbermast eine Lösung sein könnte:
„Wir nehmen die männlichen Kälber, wir mästen sie nicht wie üblich intensiv mit Milch oder Milchaustauscher und Kraftfutter. Sondern wir stellen sie auf die Weide. Sie müssen sich von den Flächen hier ernähren und das bedeutet natürlich weniger Zunahmen. Heißt aber auch, dass sie artgerechter ernährt werden. Aber wo wir enden ökonomisch, wissen wir noch nicht.“
Ein weiteres gutes Beispiel unseres kurzsichtigen Denkens über Ernährung. Dazu gehört auch die Mär, dass Fleisch die „besseren“ Proteine liefert. Und wenn schon lange nachgewiesen wurde, dass pflanzliche die beste – und gesündeste – Proteine sind.