Zug, auf 1500 Metern, ist ein Ortsteil von Lech. 1651 wurde dort ein Walser Bauernhaus erbaut, das heute das Herz eines besonders luxuriösen Hotels ist. Das Gasthaus Rote Wand bewirtet seit Mitte des 19. Jahrhunderts vorbeiziehende Gäste.
Seit 2017 gehört zum Hotel der so genannte „Chef’s Table. Im alten Schulhaus des Dorfes bekocht Max Natmessnig eine kleine Gästeschar, die ihm beim Kochen über die Schulter spähen darf. Der gebürtige Niederösterreicher hat zuvor im „Steirereck“ in Wien, im 3-Sterne-Tempel „Oud Sluis“ in den Niederlanden und beim „Chef’s Table at Brooklyn Fare“ in New York gekocht.
18 unglaublich gute Gänge haben wir dort an einem Abend im März gegessen. Am nächsten Morgen habe Ich mich dann mit Max Natmessnig darüber unterhalten, was seine Küche ausmacht. Zum Interview auf Skiern – so macht Arbeit Spaß!
„Im Vergleich zu meiner Zeit in New York versuche ich hier schon etwas simpler zu werden, in den Gerichten, und das Produkt in den Vordergrund zu stellen. Der Teller soll nicht so überladen sein. Wir versuchen eher, das Produkt scheinen zu lassen. Heimische Küche, aber mit einem modernen Zugang. Es sind schon klassische Kompositionen, aber dann mit einem besonderen Twist. Also bei der Ente zum Beispiel fermentierte Maroni.“
Ihr wisst, ich esse gerne gut. Vor allem aber interessiert es mich, wenn Spitzenköche nicht einfach nur Gourmetklassiker auftischen, sondern eine besondere Handschrift entwickeln, die einen nachhaltigen Ansatz hat. In der Roten Wand sind das zwei Elemente: zum einen Zutaten aus der Region, jahreszeitengemäß.
„Im Winter regional und saisonal zu kochen ist natürlich eine Herausforderung. Wir sammeln seit 2017 Erfahrungen, wie man Sachen einlegen kann. Fermentieren ist dabei ein wichtiges Thema, aber auch ganz klassisch einmachen: etwa die Sanddornbeere, die trägt ihre Frucht im September, und dann legen wir die ein, in heißem Wasser und dann sterilisieren wir das bei 80 Grad für 15 Minuten, so dass wir die ganze Saison davon zehren können.
Es freut mich, wenn ich die Bauern hier, heimische Fischzüchter, die Leute aus der Gegend unterstützen kann, indem ich ihre Produkte auf den Teller bringe.“
Der andere Kernsatz in Sachen Nachhaltigkeit: Wenn Tiere auf den Tisch kommen, dann komplett:
„Unser Anspruch ist, immer das komplette Tier zu verwenden. Wir machen das beim Saibling, bei der Forelle, bei der Ente. Bei der Ente, zum Beispiel gibt’s die Brust zum Hauptgang, die Haxerl werden als Ragout verarbeitet, und die Knochen werden geröstet und für den folgenden Tag als Jus zubereitet. Und die Leber kommt in einen Krapfen, bei den Vorspeisen. Beim Saibling, zum Beispiel, wird die Haut getrocknet und dann frittiert, als Chip, das Filet wird nur ganz kurz unter der Lampe warmgezogen, so dass es schön wachsweich ist, und die Knochen und der Kopf werden geräuchert und daraus ziehen wir dann wieder einen Sud. Der Kreis muss sich schließen, alles wird irgendwie verwendet. Das finde ich schön! Das funktioniert sogar bei Meeresfrüchten: Aus dem Panzer zum Beispiel machen wir ein Würzöl, indem wir die Schalen anrösten. Und aus dem Kopf machen wir eine Bisque und aus der wiederum dann einen gestockten Eierflan. Es ist manchmal eine Herausforderung, und es muss natürlich auch Sinn machen, aber es ist für mich sehr befriedigend.“
Auch die Innereien werden verwertet:
„Bei Innereien kommuniziere ich das manchmal gar nicht so konkret, dass da auch die Niere oder das Herz mitverkocht worden ist. Da hätten manche Gäste Probleme. Oder zum Beispiel auch mit Taube – da haben deutschsprachige Gäste die Tauben vor dem Stephansdom vor Augen. Dabei ist das ein so tolles Naturprodukt, aus dem Wald, aus dem Südburgenland, die nehme ich bewusst auf die Karte, der Züchter ist so lieb und behandelt diese Tiere wie seine Kinder.“
Max Natmessnig ist wichtig, dass seine Produkte im Einklang mit der Natur entstehen. Bio ist für ihn, neben einem schonenden Umgang mit der Ressource Natur, auch ein Qualitätsfaktor. Wer gut essen will, braucht gute Zutaten und ein gutes Gewissen.
„Die Enten und Perlhühner zum Beispiel, da hat der Züchter ein Riesenareal, wo er Wasserrohre eingegraben hat, damit die Enten kleine Bassins zum Eintauchen haben, das ist dann schon was Tolles. Der ist da so mit Herzblut dabei, die Tiere, die sind fast schon wie Familienmitglieder.“
Neben dem wirklich guten Essen hat mir das Konzept des Chef’s Table besonders viel Spaß gemacht: Zuschauen, wie Profis kochen und anrichten! Was mir dabei besonders positiv aufgefallen ist: die gute Stimmung unter den Köchen. Mit sichtlichem Spaß am Schaffen kulinarischer Hochgenüsse arbeitet hier ein Team zusammen, nicht ein Küchendiktator mit seinen Untergebenen:
„Ich glaube, das ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Ich habe auch in Küchen gearbeitet, wo ein ziemlich rauer Ton herrschte, aber ich finde es wichtig, das Team einzubinden, gemeinsam Gerichte zu entwickeln. Anders würde ich nicht arbeiten wollen.“
Was es beim Chef’s Table übrigens gar nicht gab: Brot! Für mich eigentlich ein Glücksfall: Sonst neige ich immer dazu, mich schon am Brot satt zu essen. Dafür gabs ganz zuletzt eine Art Brioche-Gugelhupf. Der hat so gerade noch reingepasst…