Unsere Bundeslandwirtschaftsministerin hat diese Woche Schlagzeilen gemacht, mit Schleichwerbung für eine Handelskette. Mich hat jedoch noch mehr geärgert, was sie bei ihrem Auftritt mit Lafer gekocht hat: Fleisch, bei dessen Erzeugung gerade mal die gesetzlichen Mindeststandards eingehalten werden. Vorbild geht anders…
Gerade diese Woche wäre ein guter Zeitpunkt gewesen, ein Zeichen zu setzen, gegen Billigfleisch: Bei Müller Fleisch, laut Wikipedia einer der zehn größten Rinder- und Schweineschlachtbetriebe in Deutschland, haben sich ein Drittel der 900 Mitarbeiter in den Bereichen Schlachtung, Zerlegung und Verpackung mit dem Corona-Virus infiziert. Im Schlachthof von Bad Bramstedt des Fleischriesen Vion sind 51 Mitarbeiter Corona-positiv. Überraschend ist das nicht. Denn kaum eine Gruppe Arbeitnehmer lebt und arbeitet unter ähnlich prekären Bedingungen, wie jene, die unser Billigfleisch schlachten und konfektionieren.
Aktualisierung
Deutschland als Schlachthaus Europas
Es ist schon ein paar Jahre her, dass ich für die Sendung quer einen Film über die Zustände in deutschen Schlachthöfen gemacht habe. Schon damals kamen die meisten Fleischhauer dort aus Rumänien. Damals noch für den rumänischen Mindestlohn von etwa 170 Euro pro Monat. Heute arbeiten sie immerhin zum deutschen Mindestlohn. Sonst hat sich nicht viel geändert. In einer Mitarbeiterwohnung von Müller Fleisch in der Nähe von Pforzheim leben 16 Personen in einer Vierzimmerwohnung. 7 Quadratmeter pro Person – dass man da über Abstand gar nicht mehr reden muss, ist ziemlich offensichtlich. Diese Zustände sind keine besonders krasse Ausnahme – in Niedersachsen etwa gibt es eine Vorschrift, dass pro Arbeiter in einer Unterkunft 8 Quadratmeter Nutzfläche vorhanden sein müssen, keine wirkliche Verbesserung. Etliche europäische Hersteller von Fleischwaren lassen in Deutschland schlachten, weil das bei uns so kostengünstig läuft.
Seit uns das Corona-Virus in Atem hält, wird viel über das Thema Versorgungssicherheit in Sachen Nahrungsmittel debattiert. Bei tierischen Produkten müssen wir Deutschen uns da keinerlei Sorgen machen: Unser Selbstversorgungsgrad bei Fleisch und Milch liegt bei über 110 Prozent. Schweinefleisch und Milchprodukte gehören zu unseren Exportschlagern, auch weil wir so spektakulär billig und massenhaft liefern. Doch gerade bei Milch wird das jetzt zum Problem. Weltweit sinkt die Nachfrage durch die Corona-Krise.Deshalb will die EU-Kommission nun 80 Millionen Euro für die private Lagerhaltung bereitstellen, davon 30 Millionen Euro für Milchpulver, Butter und Käse. Sie bezuschusst damit vor allem die zusätzlichen Lagerkosten.
Muttermilch für Kälber
Ich habe 2016 in einem solchen EU-finazierten Milchlager gedreht. Damals war es der Wegfall der Milchquote, der für Überproduktion gesorgt hat. Die EU lagerte damals 350000 Tonnen Milchpulver ein, das entspricht der kaum vorstellbaren Menge von 2,45 Milliarden Litern Milch. Weil dieser Milchsee aber irgendwann wieder auf den Markt muss, löst diese Strategie die Probleme der Milchbauern nicht wirklich.
Ich hätte eine bessere Idee: Warum nicht die im Moment nicht vermarktbare Milch für den Zweck nutzen, für den die Natur sie ursprünglich vorgesehen hat? Für die Fütterung der Kälber? Anstatt sie mit Milchaustauscher zu füttern, einer Pampe aus Milcheiweiss und Palmöl, weil die billiger ist als Kuhmilch. Und warum nicht die aktuelle Krise zum Anlass nehmen, ganz grundsätzlich darüber nachzudenken, ob unsere Art und Weise, mit der Ware Tier umzugehen, besonders nachhaltig ist.
Zeit für einen Politikwechsel
Ich höre jetzt schon wieder das Gejammer über die Kunden, die sich im Zweifel dann doch wieder für die Schnäppchen entscheiden. Sicher wahr. Andererseits aber auch kein Wunder, so lange die Politik immer noch darauf verzichtet, auch nur Mindeststandards durchzusetzen. Bis heute sind etwa Kastenstände für Muttersauen nicht verboten – das sind die engen Metallgestelle, in die Schweine vier Wochen lang eingepfercht werden, um ihre Ferkel nicht zu erdrücken. Eine tiergerecht gehaltene Muttersau schafft das auch so und es gibt eine Reihe von Gerichtsurteilen, die diese Praxis als klaren Verstoß gegen das Tierschutzgesetz werten. Doch die Bundesregierung ließ sich erst ewig Zeit mit einem Gesetzesentwurf und schlug dann eine Übergangsfrist von bis zu 17 Jahren (kein Tippfehler!) vor. Eine Herangehensweise, die wir schon vom ausstehenden Verbot des Kükentötens und der betäubungslosen Ferkelkastration kennen.
Auch das staatliche Tierwohllabel liegt auf Eis. Das Kabinett hat den Gesetzentwurf zwar im letzten Jahr auf den Weg gebracht, in den Bundesag hat es der Entwurf jedoch noch nicht geschafft – weil der Koaltionspartner SPD mit den Minimalverbesserungen, die das staatliche Label bieten würde, nicht zufrieden war.
Mehr zu Haltungsformen
Aber offensichtlich ist Tierwohl ja auch nicht so DIE Priorität unserer zuständigen Ministerin… Dabei wäre jetzt, so meine ich, ein guter Zeitpunkt, Flagge zu zeigen. Wir haben in den vergangenen Wochen gezeigt, dass wir als Gesellschaft enorm viel ganz anders machen können. Warum nicht auch unseren Umgang mit tierischen Produkten? Und warum könnte Julia Klöckner nicht einen massenwirksamen Auftritt im Netz nutzen, um besonders tolles Biofleisch zu kochen? Um zu erklären, warum das für uns alle besser ist? Wäre doch mal ein Ansatz…
Es ist wirklich sehr traurig, dass in der heutigen Zeit unsere Landwirtschaftsministerin kein Zeichen setzt. Aber was will man erwarten, von einer Frau, die die Verfütterung von Reserveantibiotika an Hühnern immer noch nicht verboten hat und damit unser aller Gesundheit aufs Spiel setzt …
Ja, allerdings!
Noch schlimmer ist die Lage bei Puten – dazu mehr nächste Woche, hier und bei ZDF Zoom
Es geht nicht um Tierwohl oder Mitarbeiter eines Schlachtbetriebes.
Es geht um die Selbstdarstellung einer Ministererin, die genau weiß,
wieviel Aufmerksam sie durch eine solche Sendung generieren kann.
Fachlich hängt sie eh am Tropf der Agrarindustrie, da sie vor ihrer Berufung
zur Ministerin wenig Ahnung von der Landwirtschaft hatte und hat.
Die letzten 30 Jahre war Deutschland nicht wirklich gesegnet mit Fachleuten
an forderster Front, sonst würde der Berufstand der Bauern nicht so schlecht dastehen.
Als Südtiroler sollte man mal im eigenen Land anfangen, bevor man das Ausland kritisiert.
Fangen sie mal bei der Büffelhaltung in Italien an.
Geben sie einfach mal bei Tante Google: sueddeutsche.de das-dunkle-geheimnis-des-mozzarella-
ein.
Mir ist jetzt nicht ganz klar, wer hier der Südtiroler ist… aber ja, natürlich. Nicht nur in Deutschland gibt es kritikwürdige Zustände in der Tierhaltung. Und das Thema der männlichen Kälber ist bei italienischen Büffeln brisant – uns ebenso leider bei deutschen Milchvie-Hochleistungsrassen…
Als deutsche Journalistin und angesichts der Durchsetzungsmacht die eine deutsche Agrarministerin als Repräsentantin des größten Landes besitzt sehe ich den Hinweis auf Missstände in unserem Land als meine vordringliche Aufgabe. Was nicht heißt, dass es an vielen Stellen viel zu verändern gibt.
Vor ca 40 Jahren hat mein Vater seinen Milchviehbetrieb im Frankenland aufgegeben.
Ein Vertreter des bayrischen Bauernverbandes kam mit unterschriftsreifen Pachtverträgen zu uns nach Hause und „überzeugte“ meinen Vater dass es besser wäre den Hof an jemanden
zu übergeben der mehr Chanchen hätte. Den damaligen Pächter gibt es heute auch nicht mehr,
so wie es heute auf dem Dorf wo ich herkomme keine Bauern mehr gibt.
Mir ist also die Deutsche Landwirtschaft und wie sie funktioniert durchaus geläufig, lieber
Ehemaliger.
Vor ca 18 Jahren kaufte ich mir einen Bergbauernhof auf den ich heute lebe und ich habe
mich gewundert, wie mein Nachbar mit 52 Milchkühen zwei Familien ernähren kann.
Gleich vorab, die Förderungen sind nicht so üppig und das Feld ist steil.
Also lieber Ehemaliger, ich kenne schon beide Seiten und weiß schon was ich schreibe