Meine Recherchen zum Thema Ökobilanz vom Skifahren haben es mir wieder mal deutlich gezeigt: Unser Umgang mit dem Verkehrsmittel Auto ist ein zentrales Problem der Klimakrise!
Irgendwie war ich mir nach der letzten Bundestagswahl recht sicher, dass das Verkehrsministerium bei den Grünen landen würde. Und dass dann endlich politische Schritte folgen würden, die die dringend nötige Verkehrswende in die Spur bringen. Tja… nun haben wir einen Verkehrsminister aus der FDP. Und von denen vielen schlauen Dingen, die man unternehmen könnte, um unseren Individualverkehr klimafreundlich umzubauen, passiert… na ja, vielleicht nicht nichts, aber echt wenig. Tatsächlich ist es gerade der Verkehrssektor, der die CO2-Ziele um Längen verfehlt. Mit 150 Millionen Tonnen CO2-Emissionen lag er deutlich über den laut Klimaschutzgesetz erlaubten 139 Millionen Tonnen. Ich habe zu diesem Thema ein paar Fakten zusammengetragen. Denn eigentlich ist völlig klar, was hilft – und was nicht…
1. Tempolimit
Dieses Thema ist besonders ärgerlich: Es gibt eine Studie des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2020, wo ermittelt wurde, welche Effekte eine Geschwindigkeirtsbegrenzzung auf deutschen Autobahnen hätte:
- 130 km/h = 1,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente
- 120 km/h = 2,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente
- 100 km/h = 5,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente
2,6 Millionen wären immerhin 6,6 Prozent der gesamten Emissionen der PKW und leichten Nutzfahrzeuge auf Autobahnen. Für diese Maßnahme gibt es laut Umfragen sogar eine eindeutige Mehrheit der Bevölkerung, selbst unter den traditionell bleifuß-freundlichen ADAC-Mitgliedern… Ich habe mir schon vor einiger Zeit individuell ein Tempolimit verordnet – und freue mich seitdem wie eine Schneekönigin über einen merkbar niedrigeren Benzinverbrauch. Vernünftige Menschen können das freiweillig selbst regeln – aber Gesetze brauchen wir ja bekanntlich, um auch die Unvernünftigen einzufangen.
In unseren Ortschaften würde übrigens durch ein generelles Tempo 30 die Schadstoffkonzentration in der Luft um bis zu 30 Prozent abnehmen. Was wir hier beitragen können (außer freiwillig langsamer fahren): Es würde schon reichen, bis 2030 nur elf Prozent des Pkw-Verkehrs auf öffentliche Verkehrsmittel, Fahrrad oder zu Fuß gehen zu verlagern, und wir sparen um die 17 Millionen Tonnen CO₂ jährlich ein – auch damit wäre das Klimaziel im Verkehrssektor schon geschafft.
2. Kosten gerecht verteilen
Über den Irrsinn, wie billig wir in der Stadt parken dürfen, auf Kosten aller, habe ich mich hier schon vor einem Jahr geärgert. Seit über zwei Jahren gibt es keine staatliche Preisobergrenze für Parkgebühren mehr auf Bundesebene. Doch Bayern verhindert weiter, dass Kommunen in Eigenregie festlegen dürfen, was Parkplätze kosten. Und so darf ich weiterhin in Deutschlands teuerster Stadt für 30 Euro im Jahr vor meiner Haustür parken. In Japan dürfte ich ohne privat finanzierten Stellplatz mein Auto nicht mal zulassen. Der Flächenverbrauch des Straßenverkehrs – den alle finanzieren, auch die, die gar kein Auto haben – ist immens: Laut Bundesumweltamt ist die Verkehrsfläche allein zwischen 1992 und 2020 um knapp 10 % gewachsen. Fast 6 Prozent unserer gesamten Fläche in Deutschland gehört dem Verkehr, mit all seinen negativen Folgen wie Versiegelung der Böden.
Ein weiterer ärgerlicher Punkt bei diesem Thema ist die Frage, wer wie in der Stadt Abgase verteilen darf. Während Städte wie London, Göteborg oder Stockholm mit einer City Maut sehr erfolgreich das Abgasproblem in den Griff bekommen – in Stockholm etwa ist dank einer variablen City-Maut der Autoverkehr um 20 Prozent gesunken – stöpseln wir an Fahrverboten herum, weil für die Einführung von Mautsystemen keine gesetzliche Grundlage besteht.
Ich finde das Verursacher-Prinzip hier die einzig gerechte Methode: Wer in der Stadt Auto fahren will, muss die Kosten dafür tragen. Im Zeitalter smarter Technologien ist es nicht besonders schwierig, eine Maut nach Emissionen zu staffeln. Mit den Einnahmen könnte man – Wien hat das so getan – den Öffentlichen Nahverkehr besser ausbauen. Die Konzepte gibt es seit Jahren. Jetzt bräuchten wir mutige Verkehrspolitiker, die loslegen
3. Die Anti-Elektro-Lobby
… ist immer noch am Werk. Ich kann kaum zählen, wie oft ich in Diskussionen höre, dass doch gar nicht klar sei, ob Elektromobilität wirklich besser sei. Doch, das ist klar. Zum Beispiel haben im Februar 2019 Forscher des Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung eine sehr fundierte Ökobilanz von Elektroautos auf Grundlage des damaligen Strommixes und verschiedener anderer Szenarien erstellt. Wenn man als Worst-Case die Nutzung des damaligen deutschen Strommixes unterstellt, betragen die Emissions-Einsparungen demnach im ungünstigsten Fall beim Vergleich mit einem Kleinwagen-Diesel 5 Tonnen CO2-Äquivalente, im günstigsten Fall gegenüber einem Oberklassen-Benziner 23 Tonnen. Bei Klein- und Mittelkassenfahrzeugen sind die Treibhausgas-Bilanzen damit spätestens nach zwei bis drei Jahren positiv, d. h. die höheren Emissionen aus der Fahrzeugproduktion werden kompensiert. Bei Oberklassen-Fahrzeugen liegt dieser Wert zwischen drei und sechs Jahren.
Eine Studie im Auftrag des österreichischen Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2021 bestätigt das und räumt auch gleich mit dem Unfug E-Fuels auf, die unser Bundesfinanzminister so liebt, damit er seinen Porsche weiter fahren kann:
„Selbst wenn für die Herstellung derartiger e-Fuels 100 % Strom aus erneuerbaren Energiequellen und CO 2 aus der Umgebungsluft herangezogen werden, ist der kumulierte Energieaufwand je nach Fahrzeugsegment um den Faktor 9 bis 12 höher als bei batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen. Daher sollte der Einsatz von e-Fuels auf jene Verkehrsmodi und Fahrzeugkategorien fokussiert werden, wo batterieelektrische Antriebe oder brennstoffzellenbasierte Systeme in ihrem Einsatz beschränkt sind.“
Damit sind LKW oder Flugzeuge gemeint, wo Akkus schlicht zu schwer wären, um zu funktionieren.
42 Millionen Tonnen CO2 könnten wir laut einer Studie der Experten von Agora Verkehrswende jährlich einsparen, wenn drei von vier Neuzulassungen auf Elektrofahrzeuge entfallen würden – aktuell ist es eines von fünf.
Als ich im letzten Jahr Jürgen Trittin von den Grünen interviewt habe, prognostizierte er schwere Zeiten für die deutsche Automobilindustrie:
„Autokanzlerin oder Autokanzler zu sein war zum Schaden der deutschen Automobilindustrie. Der Umstand, dass am Ende erst VW und dann in Folge die anderen großen Hersteller von China gezwungen werden mussten, auf die Elektromobilität mit zehn Jahren Verspätung aufzusteigen, zehn Jahre Verspätung! Dass sie acht dieser zehn Jahre damit zugebracht haben, darauf zu wetten, dass sie es schaffen, die Welt vom Diesel, dem deutschen Diesel zu überzeugen: Diese Haltung war zum Schaden und hat wichtige Marktanteile gekostet. Dass wir heute bestimmte Konkurrenten in China haben, liegt nicht nur an den unfairen Wettbewerbsbedingungen dort, sondern auch an dieser Verzögerung, dass wir große Probleme heute haben im Umbau unserer Automobilindustrie, schlicht, weil es schneller gehen muss, wenn man nicht untergehen will, als wenn man das vor zehn Jahren angefangen hätte. Das ist das negative Ergebnis einer erfolgreichen Lobbypolitik, die den Strukturkonservatismus höher gewichtet hat als die Wettbewerbsfähigkeit.“
Dieser Stillstand herrscht noch immer: Während chinesische Hersteller, deren Namen ich nicht mal kannte, sich unter Applaus der Motor-Fachpresse aufmachen, mit markfähigen Kleinwagen deutsche Autokäufer:innen zu erobern, versucht die deutsche Industrie noch immer, die Mogelpackung Hybridfahrzeug zu promoten und bietet vor allem E-Mobile der Oberklasse, weil da die Gewinnspanne größer ist. Dummerweise aber eben auch die Emissionen…
Eine gute Verkehrspolitik würde Kleinwagen viel stärker bevorzugen. Sie würde das Dienstwagenprivileg abschaffen, noch so ein aus der Zeit gefallenes Wirtschaftswunderding. Wenn nun eh schon das Bundeskabinett umgebildet wird – lässt sich da nicht auch jemand finden, der Verkehrspolitik als Schlüssel zur Klimawende begreift und nicht als Schutzburg für Autofreaks?
Also, liebe Frau Schickling, da will ich mich mal wieder einbringen:
Zu 1: Auch ich mache seit langem schon die eigene Geschwindigkeitsbegrenzung, nämlich 130 auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen und 30 auf allen innerstädtischen Nebenstraßen.
Aber was bringt das, wenn so hinterrücks die schnellen Fahrzeuge der großen deutschen Autohersteller durch die Politik unterstützt werden?
Da kann ich nur sagen, FDP nicht mehr wählen, aber dies schon jetzt ankündigen!
Zu 2: Ich besorge eh alle meine Angelegenheiten innerhalb der Stadt mit dem Fahrrad, allein schon wegen der Parkplatzprobleme und der teils abenteuerlichen An- und Zufahrten. Insofern sind mir die Kosten fürs Autofahren in der Stadt egal. Öffentlicher Nahverkehr ist allerdings ein Reizwort für mich, nachdem ich jahrelang auf diese „Viehtransporter“ angewiesen war.
Zu 3: Werbung fürs Elektro-Auto empfinde ich als üblen Scherz: Fahrzeuge für den Durchschnittsverdiener zu teuer, Lade-Architektur total unausgereift und unfertig, Stromversorgung beim aktuellen Abschalten aller fossilen Energieerzeuger ohne schritthaltende Zurüstung mit Erneuerbaren Energien fragwürdig.
Und was soll in diesem Zusammenhang das wirklich abenteuerliche Geschwätz gewisser Politiker, dass die Elektroautos dann mit ihren Batterien die Stromlücken ausgleichen werden? Für wie dumm versucht man uns hier zu verkaufen?
Dieses verlogene Theater ums Goldene Kalb Elektroauto schreckt mich dermaßen ab, dass Sympathie fürs dieses schon gar nicht bei mir aufkommen konnte.
Dessen ungeachtet fahre ich allerdings gern mein Pedelec, weil ich den Ladestrom dafür von meinem Balkon hole und damit das immer mehr belastete Stromnetz verschone.
Mit freundlichen Grüßen
Das Problem fängt doch insgesamt viel früher an. Unsere Kinder sind zu wenig zur Verantwortung für die Umwelt und Natur erzogen und sehen, wie ihnen die Eltern den ausbeutenden Konsum inkl. Autofahren vorleben. Ein Schülerpflichtpraktikum um Umweltbereich könnte erheblich sensibilisieren.
Für autofreie Sonntage und Tempolimit braucht man keine gesetzlichen Regelungen. Ich entscheide selbst, wann ich mit dem Auto oder Rad fahre und wenn ich im Auto sitze, wie viel ich Gas gebe. Tempo 130 ist zudem entspannter als Tempo 180.
Vielen Dank, liebe Katarina, für die Zusammenstellung all dieser wichtigen Punkte.