Am Sonntag bin ich über die Alpen gefahren. Die Gipfel waren bereits weiß überzuckert. Und sofort habe ich angefangen, mich auf die Skisaison zu freuen, mit gemischten Gefühlen…Wenn man mich nach meiner größten Ökosünde fragt, muss ich nicht lange nachdenken: Skifahren… Nichts anderes bringt mich nach stressigen Tagen so zuverlässig runter und macht mich so glücklich, wie der Blick über weiße Hänge und schneebedeckte Gipfel und Schwünge in pulverigem Schnee.

Der entscheidende Faktor in Sachen CO2-Bilanz bei allen Reisen, auch beim Skiurlaub, ist die Anreise  dazu gab es hier schon mehrere Artikel. Aber in diesem Sommer bin ich doch nachdenklich geworden, ob die CO2-Bilanz der richtige Maßstab ist. Ich verbrachte einige Tage auf der Gerlitzen in Kärnten. Ein Berg oberhalb des Ossiacher Sees, 1900 Meter hoch, und offensichtlich im Winter ein beliebtes Familien-Skigebiet. Ich war auf der Suche nach Ruhe in einer schönen Alpenlandschaft. Gefunden habe ich eine Art Urlaub auf der Baustelle. Und damit meine ich nicht nur das schwere Gerät, das großflächig auf den Hängen unterwegs war, laut und unter Hinterlassen aufgewühlter Raupenspuren. Auch die Hänge, wo in diesem Jahr offensichtlich nichts gebaut wurden, sahen wüst aus – von Almidylle keine Spur…

Laut Homepage des Skigebiets wurde hier für den kommenden Winter umfangreich investiert: ein neuer 4er-Sessellift, eine Rolltreppenanlage… außerdem wurde die Beschneiung ausgebaut. Das Gebiet bietet über 50 km breite, voll beschneite Pisten – anders lässt sich ein so niedrig liegendes Skigebiet auf der Südseite des Alpenhauptkamms nicht betreiben. In Zeiten, wo Hallenbäder die Wassertemperatur senken und Behörden ihre Mitarbeiter auffordern, in warmen Wollsachen zur Arbeit zu erscheinen, lohnt sich sicher auch ein Gedanke zum Thema, wie sinnvoll es ist, kostbaren Strom für künstlichen Schnee zu verballern. Die Gerlitzen wirbt zwar mit 100 Prozent Ökostrom. Aber auch der fehlt ja dann anderswo.

Raubbau am Berg

Was mich jedoch hier deutlich mehr verstört hat, war der Zustand der Hänge. Ich war vor ein paar Jahren im Sommer am Arlberg, in Lech.  Ich wollte herausfinden, wie die Hänge, die mir im Winter so viele Glücksmomente bereiten, im Sommer aussehen. Die grünen, blühenden Almwiesen, die ich dort vorfand, haben mich damals positiv überrascht. Dort passten Skibetrieb im Winter und Almbetrieb im Sommer offekundig zusammen. Die Hänge sahen selbst auf den viel befahrenen Talabfahrten gut aus. Ganz anders die Gerlitzen. Die Skiabfahrten waren deutlich zu erkennen: Überall ragten die Schneekanonen aus der Wiese. Aber auch ohne die Installationen hätte man die Pisten identifizieren können: an den abgeschabten Hängen, der zerstörten Grasnarbe, den fehlenden Blumen.

Was mir ebenfalls auffiel: Die Pisten waren auffällig eben, geradezu plattgewalzt. Das kann zwei Ursachen haben: Wer sich als Familienskigebiet positioniert, der bietet gerne möglichst glatte Pisten. Buckel machen das Fahren anspruchsvoller. Vor allem aber machen sie das Beschneien viel kostspieliger. Jede Kuhle, die mit Kunstschnee aufgefüllt werden muss, kostet Geld. Also lieber gleich den Berg plattmachen… Das hat Folgen: Durch das Planieren wird der Boden so verhärtet, dass er viel weniger Wasser aufsaugen kann. Das bedeutet nicht nur mehr Überschwemmungen im Sommer. Fließt der Regen den Hang hinunter, nimmt er Erde mit sich. Erosion, Schlamm- und Gerölllawinen sind die Folge.

Das Skigebiet bewirbt sein Angebot in Sachen Nachhaltigkeit so:

„Wussten Sie, dass naturschonendes Arbeiten auf der Gerlitzen Alpe höchste Priorität hat? Durch Baumaßnahmen beanspruchte Flächen werden so lange mit standorttauglichen Pflanzensamen begrünt bis die Renaturierung nachhaltig gesichert ist..“

Für die von Skifahrer:innen beanspruchten Flächen scheint das nicht zu gelten… Ich bin keine Biologin und kann nur vermuten, warum die Hänge in einem so verheerenden Zustand sind. Tatsache ist, dass Kunstschnee dichter ist und weniger Sauerstoff durchlässt, als echter Schnee. Ist der komplette Hang gewissermaßen zubetoniert, können die Pflanzen unter der Kunstschneedecke absterben.

Am bayerischen Sudelfeld ist der viele, teure Schnee aus den Kanonen in den letzten Jahren oft schnell wieder weggeschmolzen. Kratzen die Kanten dadurch nicht nur über den Schnee, sondern auch über den Boden darunter, rasieren sie die oberen Schichten regelrecht ab. Damit leidet nicht nur die Grasnarbe, sondern auch die Humusschicht darunter. Die Folge sind geschundene Hänge, wie ich sie diesen Sommer in Kärnten erlebt habe.Die fehlende Humusschicht ist dann auch wieder CO2-relevant – Humus bindet deutlich mehr CO2, als andere Böden…

Sehnsucht nach Schnee versus Klimarettung

Skigebietsbetreiber nennen das in der Regel einen „See“… Wobei von Seeidylle hier keine Rede sein kann. Korrekter wäre „Beschneiungsbecken“

Vielleicht sollten wir uns daran gewöhnen, dass wir – wenn überhaupt – wirklich nur noch in größeren Höhen Ski fahren können. Da, wo auch jetzt noch so viel Schnee fällt, dass tatsächlich „Winter“-Sport möglich ist. Ganz ohne Beschneiung kommt praktisch kein Skigebiet mehr aus. Aber es ist ein Unterschied, ob man ausschließlich auf einer Kunstschneeschicht fährt, oder ob der nur eine Art Anschubfinanzierung für eine echte Schneedecke ist. Den Weltlauf gegen den Klimawandel mit Hilfe von Schneekanonen können wir nur verlieren. Ich verstehe, wenn etwas nachgeholfen wird. Ich verstehe, dass am Skibetrieb viele Arbeitsplätze hängen. Aber komplett beschneite Skigebiete, in Regionen, wo immer weniger Schnee fällt, dass war schon vor dem Ukrainekrieg und der folgenden Energiekrise nicht mehr zeitgemäß.

Im Grunde ist es einfach: Ski fahren dort, wo ernsthaft an einem nachhaltigen Umgang mit der Ressource Natur gearbeitet wird. In Gegenden, wo die Wetterbedingungen zu einem Sport im Schnee passen. Mit der Bahn oder dem Reisebus anreisen. Und auf Tagestouren verzichten – damit sich die Emissionen bei der Anreise auf möglichst viele Ferientage verteilen.