An die Geburtsstunde meines neuen Buches „Der Konsumkompass“ erinnere ich mich genau:

Mein neues Buch Der Konsumkompass

Ich saß beim Frühstückskaffee, zu Hause, politisch korrekt aus der Porzellantasse, und las mit Staunen einen Artikel, wonach meine Tasse politisch gar nicht so korrekt sei: Niederländische Forscher hätten ermittelt, dass der Pappbecher die geringsten Folgekosten für die Umwelt verursachen würde, verglichen mit Plastik und Porzellan. Ich war verblüfft! Nun habe ich in meiner Arbeit als Journalistin oft erlebt, wie hartnäckig sich Mythen halten können. Aber der To go-Becher als zu Unrecht verfemte Öko-Sauerei?

Meine Liebe zum Kaffee unterwegs habe ich als Studentin in Italien entwickelt – der schnelle Espresso an der Bar unterwegs, im Stehen – ein Traum! Und so kam es mir extrem entgegen, als der Kaffee in der Hand zum gängigen Accessoire beim Einkaufsbummel wurde. Bis mir die überquellenden Mülleimer in der Stadt, zu zwei Dritteln gefüllt mit leeren Kaffeebechern, irgendwie den Spaß verdarben. Seitdem schaffe ich es nicht mehr, einfach einen Pappbecher mitzunehmen, ohne dass mich das Gewissen plagt. Hätte ich nicht heute Morgen vorausschauend einen Thermobecher einpacken sollen? Der dann allerdings den Rest des Tages meine Handtasche vollkleckert, weil die Dinger ja nie WIRKLICH dicht schließen… Und wäre es nicht eh noch besser gewesen, wenn ich mich damals stattdessen für einen Becher aus Porzellan entschieden hätte? Oder aus Kunststoff, weil mir der sicher nicht beim 11. Benutzen kaputtgeht? Oder wäre es noch politisch korrekter, wenn ich zu meinem Brauch aus der Studentenzeit zurückkehren würde, meinen Kaffee an der Theke zu trinken und das Abspülen den Profis zu überlassen?

To go-Becher – Umweltsünde oder nicht?

Alles umsonst? Natürlich nicht! Die Studie, auf die sich der Artikel bezog, ist schon relativ alt: 2007 vergleicht die niederländische Organisation für angewandte naturwissenschaftliche Forschung Einweg- und Mehrweg-Kaffeebecher unter dem Aspekt der Umweltfolgen – Herstellungsaufwand von Porzellantassen, Plastik- und Pappbechern, der Energieaufwand beim Spülen, die Entsorgung…Und kommt damals tatsächlich zu dem überraschenden Ergebnis, dass Wegwerfbecher für die Umwelt am wenigsten schädlich seien.

To Go Becher aus Pappe haben keine gute CO2 BilanzNun hat diese Studie allerdings mehrere Haken. Zunächst sind 10 Jahre eine lange Zeit – Herstellungsmethoden, die Arbeitsweise von Geschirrspülern, das Material der verschiedenen Becher… all das hat sich seitdem weiterentwickelt, so dass sich schon deshalb die Frage stellt, welchen Wert diese Studie für uns heute noch haben kann. Zum zweiten Mal gestutzt habe ich, als ich gleich auf Seite eins den Auftraggeber der Studie fand: Die „Benelux Disposables Foundation“ – das ist der Industrieverband der Einweghersteller in den Benelux-Ländern. Noch wichtiger jedoch ist, was da eigentlich untersucht wurde: Es geht in dem Papier um sehr spezielle Selbstbedienungsautomaten, die in Büros oder Fabriken zum Einsatz kommen. Auf Nachfrage bestätigen mir die Autoren der Studie dann auch, dass ihre Erkenntnisse auf den typischen To go-Kaffee nicht wirklich anwendbar sind.

Öko-Mythen auf der Spur

Mein Interesse war jedoch geweckt: Es gibt so viele Bereiche in unserem Alltag, wo wir gerne alles richtig machen möchten und doch nie so ganz sicher sein können, wie es nun tatsächlich um die Nachhaltigkeit unserer Konsumentscheidungen steht. Kaufe ich jetzt lieber den Bio-Apfel aus Neuseeland oder den konventionell angebauten vom Bodensee? Packe ich die Äpfel dann in eine Papier- oder Plastiktüte? Bin ich ein schlimmer Ökosünder, weil ich den praktischen, wiederverwertbaren Synthetik-Beutel zwar gekauft aber dann zu Hause auf dem Küchentisch liegengelassen habe? Und fahre ich vom Supermarkt lieber mit dem E-Bike nach Hause oder mit dem Bus, weil der Supermarkt zu Fuß ganz schön weit weg ist, wenn man den Wocheneinkauf für die Familie im Gepäck hat. Oder wäre ich nicht noch besser gleich zum Hofladen des netten Biobauern gegangen? Wobei, da hätte ich dann das Auto nehmen müssen, weil da gar kein Bus hinfährt, und ich wohne in der Großstadt, da gibt es keine Bauern…

Was darf ins AltpapierEin Jahr lang habe ich Studien gelesen, das Internet durchstöbert und mit Experten telefoniert. Der Konsumkompass ist das Ergebnis dieser Recherchen. Ein Wegweiser, damit wir uns auf Grund von Fakten entscheiden können, und nicht auf Grund von gefühlten Wahrheiten. Mit vielen konkreten, alltagstauglichen Tipps. Nicht jeder kann oder mag sofort sein Leben komplett umkrempeln. Aber viele kleine Schritte ergeben auch einen großen.

Ich werde gerade oft gefragt, ob dieses Thema überhaupt noch in die Zeit passt. Ob Corona die Frage der Nachhaltigkeit nicht zum Luxus-Problem von „vor der Wirtschaftskrise“ macht. Ich meine: nein! Gerade jetzt sollten wir uns darüber Gedanken machen, wie wir zukunftsfähig leben. Der Bio-Supermarkt bei mir ums Eck nennt das „enkeltauglich“ – bis die bei mir kommen, dauert es hoffentlich noch. Trotzdem ein guter Begriff!

Der Schutzumschlag des Buches besteht übrigens konsequenterweise aus Kaffeebechern. Ja, tatsächlich. Bei der Produktion von Pappbechern fallen nicht verwertbare Abschnitte an. Und aus denen wurde der Umschlag gefertigt. Überhaupt war ich beeindruckt, wie sehr sich der Verlag darum bemüht hat, das Buch klimaneutral zu produzieren. Danke dafür!

Jetzt freue ich mich über viele Leser und über Feedback. Viel Spaß mit meinem „Baby“!