Ich muss diesen Blog mit einem Geständnis beginnen: Ich bin schuld! Ich bin dabei, wenn die Erderwärmung befördert und unsere Erde zerstört wird. Ich liebe Ski fahren, esse Fleisch, fahre Auto, fliege zu Drehterminen, und vorhin habe ich eine Plastikverpackungen in eine ganz normale Mülltonne geworfen, weil ich hier in Zürich gar nicht gewusst hätte, wo ich Plastikmüll ökologisch korrekt loswerde.

Ich will es gerne besser machen, an möglichst vielen Stellen. Und während ich mir sicher bin, dass Konsumverzicht nur ein kleiner Beitrag ist, im Vergleich zu den großen Weichenstellungen, die die Politik leisten könnte, begegnen mir auf meinen Reisen doch immer wieder Ideen und Projekte, die mich hoffen lassen,. Dass wir weiter ein komfortables Leben mit tollen Produkten und gutem Gewissen führen können – zum Beispiel, wenn wir bei den Ausgangsmaterialien neue Wege gehen.

Pilze und Eierschalen als Wertstoff

Am Stadtrand von Zürich gibt es in der ehemals größten Joghurtfabrik Europas eine Zweigstelle des Züricher Museums für Gestaltung. Im so genannten Toni Areal läuft gerade eine Ausstellung, die sehr innovative Ansätze erlebbar macht. Erlebbar im unmittelbaren Sinn des Wortes: Hier dürfen Exponate angefasst werden. Und so reibe ich an einem sonnigen Februarnachmittag über ein Gewebe aus Pilzen, das sich anfühlt wie Leder. Ja, richtig gelesen: Pilze!

Dieses lederartige Material ist tatsächlich ein Pilzgeflecht

Fühlt sich an wie Leder, besteht aber aus einem Pilzgeflecht

Pilze und Bakterien haben fadenförmige Zellen, lerne ich, so genannten Myzelien, die echte Tausendsassas sind. In kürzester Zeit können sie Geflechte bilden und wirken wie ein sich selbst produzierender Klebstoff. Von der Verpackungsalternative zu Styropor bis zum veganen Lederersatz lässt sich daraus eine Vielzahl von Produkten schaffen.

Beim Rundgang durch die Ausstellungshalle komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus: Eine Kurve weiter stoße ich auf Textilfarben aus Bakterien und Keramikglasuren aus Klärschlamm. Ich bewundere Textilien aus Bananenfasern und Tische aus Eierschalen – diese haben offenbar ähnliche Eigenschaften wie Zement und fallen bei der Lebensmittelherstellung in riesigen Mengen an.


Eierschalen haben verarbeitet ähnliche Eigenschaften wie Zement

Dieser Tisch besteht tatsächlich aus Eierschalen

Mein persönlicher Höhepunkt ist allerdings die Handtasche aus Kuhmagen. Schlachtabfälle sinnvoll verwenden – wie cool ist das denn! Zugegebenermaßen kostet es mich zunächst ein klein wenig Überwindung, das Schaustück in die Hand zu nehmen. Aber dann fühlt sich das leicht stachelig aussehende Material erstaunlich angenehm an. Wie ein sehr weiches Leder mit ungewöhnlicher Struktur. Wenn wir schon Tiere schlachten, dann finde ich den Gedanken, das wirklich gar nichts als Müll endet, sondern selbst die 8200 Kuhmägen, die in Deutschland täglich anfallen, ein zweites Leben bekommen könnten, ziemlich vorbildlich in Sachen Nachhaltigkeit.
(https://museum-gestaltung.ch/de/ausstellung/designlabor-material-und-technik/, noch bis zum 6. September 2020)

Mode aus Milch

Müll umwidmen im großen Maßstab? Dass sich Papier und Plastik recyceln lassen, ist mittlerweile Standard. Bei uns, zum Beispiel, gibt es schon lange nur noch Klopapier aus Altpapier. Aber organische Abfälle? Mein Interesse ist geweckt. Auf der Suche nach weiteren Beispielen entdecke ich im Netz ein deutsches Startup, das aus Milch-Proteinen Textilien produziert. Vielseitig einsetzbare Bio-Fasern, besonders hautfreundlich und garantiert geruchsneutral. Allein in Deutschland werden jährlich zwei Millionen Tonnen Milch entsorgt, verunreinigt oder sauer. Viel Rohstoff für die Milchmode.
(https://www.qmilkfiber.eu/ )

Beim weiteren Recherchieren lande ich wieder bei Pilzen: Das Institut für Biotechnologie der TU Berlin und das Art Laboratory Berlin betreiben gemeinsam ein Forschungsprojekt. „Mind the Fungi“ arbeitet mit großem kreativem Eifer und wissenschaftlichem Background daran, Pilze zu einem zukunftsfähigen Werkstoff zu machen und unsere plastiküberschwemmte Welt mit biologisch abbaubaren Alternativen zu bereichern
(https://futurium.de/de/feature-art-lab).

Ich finde, das sind gute Ansätze. Klar, weniger konsumieren ist immer besser. Müll, der gar nicht erst entsteht, ist der allerbeste. Aber wir werfen an so vielen Stellen Dinge weg, die verwertbar wären. Ich finde es schön, dass Forscher da ansetzen. Und ich wünsche mir, dass Systeme geschaffen werden, wo diese wertvollen Stoffe gesammelt und einer sinnvollen Verwertung zugeführt werden. Die Kuhmagentasche würde ich jedenfalls sofort kaufen!

Eine Tasche aus Fasern der Bananenpflanze

Die Bananenfaser-Tasche ist am Ende ihres Lebens biologisch abbaubar

Keramikschalen mit einer Glasur aus Mikroorganismen im Klärschlamm

Diese Schalen verdanken ihre Glasur Mikroorganismen im Klärschlamm, die so genannte Granula bilden