Wer immer noch glaubt, dass Billigstschnitzel eine Art Menschenrecht sind, der hat in den letzten Tagen viel Stoff zum Nachdenken bekommen. Höchste Zeit, dass wir mit unserem Einkaufsverhalten daraus Konsequenzen ziehen!

Im Grunde könnte ich meinen Blogartikel von ein paar Wochen gleich nochmal veröffentlichen, nur dass statt es statt um Müller und Westfleisch diesmal um Tönnies geht. Jene Firma, die für 30 Prozent der in Deutschland geschlachteten Schweine steht. Und deren Chef noch im April beleidigt beklagt hatte, dass man hier jetzt unfairerweise eine Branche unter Generalverdacht stelle. Völlig zu Recht, wie sich nun zeigt.

Ich will hier jetzt gar nicht darüber lamentieren, dass ein Gewerbesteuerriese wie Tönnies offenkundig weniger streng zur Einhaltung von Regeln vergattert wird, als etwa Grundschulen, Kitas oder Gaststätten. Oder nochmal darüber, warum wir schon seit Jahren billigend in Kauf nehmen, dass Dreckarbeiten so miserabel entlohnt werden, dass das nur mit ausgebeuteten Wanderarbeitern funktioniert. Ich möchte lieber darüber nachdenken, was wir heute sofort dagegen tun können. Denn das ist eigentlich ziemlich einfach: So etwas nicht kaufen!

Staatlich geduldete Rechtsbrüche

Ich fürchte, dass wir uns bei der Beseitigung dieser Missstände nicht auf die Politik verlassen können. Da sind die Zustände in deutschen Schlachthöfen nur ein Beispiel. Ein anderes sind die Zustände in den Ställen, wo jene Tiere erzeugt werden, die Tönnies und Co später zu Schnäppchengrillgut verwursten. Am 29. Mai hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner einen Entwurf vorgelegt, wie sie die Missstände in Sachen Kastenstandhaltung von Muttersauen abzustellen gedenkt. Nicht aus Einsicht, wohlgemerkt, sondern weil das Oberlandesgericht von Sachsen-Anhalt die herrschende Praxis als Verstoß gegen das Tierschutzgesetz gegeißelt hat. Dieser Entwurf klingt wie ein schlechter Scherz: 20 Zentimeter mehr Platz, und eine Übergangsfrist von 15 Jahren, die nochmal um 2 Jahre verlängert werden kann.

Im Grunde würde es schon viel bringen, wenn unser Gesetzgeber darauf bestehen würde, dass die vorhandenen Gesetze eingehalten werden. Kastenstände, Ferkelkastration, Kükenschreddern, Schnäbelkupieren… alles Verstöße gegen das Tierschutzgesetz, die geduldet werden, weil nur so die industrieartige Massenproduktion von Billigfleisch möglich ist. Und ebenso hilfreich wäre es, wenn bei den Kosten viel konsequenter das Verursacherprinzip angewandt würde. Warum etwa zahlen Wasserkunden die Zeche für die Güllemassen, die insbesondere die großen Mastbetriebe erzeugen?

Wir sind die Kunden!

Unabhängig davon ob und wieviel Fleisch wir essen: Den wahren Preis des billigen Fleischs zahlen wir an vielen Stellen. Die Universität Augsburg hat vor zwei Jahren versucht, eine seriöse Kalkulation der tatsächlichen Kosten zu machen. Ihre Studie kommt zu dem Schluss, das konventionelles Fleisch 196 Prozent teurer sein müsste,  Ökofleisch immer noch 82 Prozent. Stattdessen werden diese Kosten über Steuern und Abgaben auf alle umgelegt. Das kann nicht in unserem Interesse sein.

Gemeinsam mit Fernsehkoch Tim Mälzer habe ich vor einigen Jahren mal einen Test gemacht: Wir haben eine Familie eine Woche lang mit einem Hartz IV-Budget nur Bio-Lebensmittel verwenden lassen. Es hat problemlos funktioniert, mit regionalen und saisonalen Produkten, und mit weniger Fleisch. Aber dafür mit Fleisch, das man guten Gewissens essen kann, weil die Tiere ein würdevolles Leben hatten. Mit Platz. Mit frischer Luft. Mit Lebensbedingungen, die ihrer Natur entsprechen.

Wirtschaftsunternehmen liefern das, was der Markt verlangt. Dieser Markt, das sind wir. Wenn wir andere Produkte kaufen, dann verändert sich das Warenangebot. Wir sollten jene Erzeuger belohnen, die sich um das Wohl ihrer Tiere – und ihrer Mitarbeiter – sorgen. Wir haben viel mehr Macht, als uns oft bewusst ist. Die sollten wir nutzen. Jetzt.