Ab sofort gibts auch die Milch als Mogelpackung! So müsste konsequenterweise die Schlagzeile anlässlich der Erweiterung der Haltungsformkennzeichnung durch die Initiative Tierwohl heißen.

Ich bin immer wieder beeindruckt von der kreativen Weise, wie große Handelsketten sich vermarkten. Im Moment, zum Beispiel, werben REWE und EDEKA damit, dass ab Beginn dieses Jahres auch Frischmilch mit der vierstufigen Haltungsform-Kennzeichnung der Initiative Tierwohl gelabelt wird.

Bei Spiegel Online lese ich dazu: „Dank der Haltungsform-Kennzeichnung können Verbraucher beim Einkauf auf den ersten Blick erkennen, wie hoch das Tierwohl-Niveau bei der Haltung der Milchkühe ist.“ Klingt so super, dass ich direkt nochmal auf den Presseseiten von REWE und Edeka nachgeschaut habe, ob es sich dabei um eine direkt aus der Presseinfo abgeschriebene Formulierung handelt. Denn leider ist es eben nicht so, dass wir beim Einkaufen hier mehr Transparenz bekommen. Eher im Gegenteil.

Der Schwindel mit den Haltungsstufen

Wie hier schon oft geschildert bietet überhaupt nur Stufe 4 Bedingungen, die man ernsthaft unter dem Begriff „Tierwohl“ subsummieren könnte. Diese Stufe entspricht im Prinzip der Bio-Milch, und die ist ja ohnehin schon transparent gelabelt, ohne dass es nochmal einer zusätzlichen Kennzeichnung bedarf. Die Stufen darunter hingegen, und ganz besonders Stufe 2 „Stallhaltung plus“ sind Mogelpackungen klassischer Form. Erst ab Stufe 4 ist etwa Weidegang zwingend vorgeschrieben.

Weil die Frage, welche Milch wirklich von glücklichen Kühen stammt, zugegebenermaßen wirklich kompliziert ist, liste ich hier noch einmal auf, welche Bedingungen wo herrschen.

Haltungsbedingungen von Milchkühen

Stall-flächeAnbinde-haltungFrei-flächeMaximale Betriebs-größeEnthornungKälber-haltung
Konventionelle Haltungkeine Vor-schriftjakeine VorgabejaEinzelboxen zulässig
EU-Bio-Siegel6 m²/Kuhin Ausnahme-fällen möglich4,5 m²/

Kuh

2 Kühe/hanicht routine-mäßig, aber auf Antrag möglichkeine Einzelboxen nach der ersten Lebenswoche, kein Milch-austauscher
Bioland6 m²/Kuhin Ausnahme-fällen möglich4,5 m²/

Kuh

2 Kühe/hanicht routine-mäßig, aber auf Antrag möglichmindestens 1 Tag bei der Mutter
Naturland6 m²/Kuhin Ausnahme-fällen möglich4,5 m²/

Kuh

2 Kühe/hanicht routine-mäßig, aber auf Antrag möglichempfiehlt Säugen in den ersten Tagen
Demeter6 m²/Kuhin Ausnahme-fällen möglich4,5 m²/

Kuh

2 Kühe/haneinkeine Einzelboxen nach der ersten Lebenswoche, kein Milch-austauscher

 

Die Krux mit der Kennzeichnung

Der Begriff „Weidemilch“ ist nicht gesetzlich geschützt. Im Prinzip kann jeder Hersteller für sich selbst definieren, was ein Hof bieten muss, damit seine Milch so heißen darf. Das Branchenfachblatt topagrar hat sich Ende 2015 mit diesem Thema beschäftigt und recherchiert, was „Weidemilch“ bei einzelnen Großerzeugern tatsächlich bedeutet. Bei Arla und Ammerland, zum Beispiel, zwei der großen Player auf dem Molkereimarkt in Deutschland, müssen Weiderinder an mindestens 120 Tagen sechs Stunden lang weiden – bedenkt man, dass das Jahr 365 Tage und der Tag 24 Stunden hat, ist das nicht wirklich viel, aber immerhin. Bei Arla beträgt der Aufschlag für diesen Aufwand 0,5 Cent pro Liter, bei Ammerland 500 Euro pauschal im Jahr.

Dumm nur, dass das die Zusatzkosten nicht mal annähernd deckt: Der regelmäßige Ausflug ins Grüne bedeutet deutlich mehr Arbeit für den Landwirt. Außerdem geben die Freilandkühe während der Weidesaison etwa 5 Liter weniger Milch pro Tag – das Herumgelaufe verbraucht Kalorien… Prof. Falk Mißfeldt und Arne Speck von der Fachhochschule Kiel haben 2015 berechnet, wieviel teurer ein Weidegang wie bei Arla oder Ammerland für den Bauern ist und kamen auf 2 bis 2,6 Cent pro Liter. Ärgerlich wird es, wenn man sich im Vergleich dazu den Ladenverkaufspreis von Weidemilch anschaut: Als ich im Herbst 2016 im Rahmen einer ZDF-Reportage die Preise in Hamburger Supermärkten verglichen habe, kostete die Milbona Weidemilch von Ammerland 20 Cent mehr, als die normale Milch aus der gleichen Molkerei. Wer dieses Geld investiert und darauf hofft, dass davon der Bauer und sein Milchvieh profitieren, hat also offenkundig eine Fehlinvestition getätigt…

Bei Bergbauernmilch und bei Heumilch hingegen gibt es feste, durch die EU kontrollierte Kriterien,wie die jeweilige Milch erzeugt werden muss – was die Kühe fressen, wie sie gezhalten werden… Am besten fährt man im Zweifel mit Demeter Heumilch – da bekommen die Bauern einen Preis, mit dem sich ordentlich wirtschaften lässt und die Vorschriften sind so, dass es den Tieren tatsächlich überdurchschnittlich gut geht.