Diese Recherche hat mich wirklich überrascht. Für mich war klar, dass Mehrweg eigentlich besser sein MUSS. Aber so einfach war es dann doch nicht…

Schutzmasken aus Stoff sind nachhaltigerDie Coronakrise hat an vielen Stellen Einfluss auf unsere CO2-Bilanz: Zum Beispiel, weil wir Homeoffice-Bewohner plötzlich zu anderen Zeiten Strom und Wasser verbrauchen. Und für andere Zwecke. Bis März waren Schutzmasken in meinem Leben Dinge, die die Crew von Grey’s Anatomy im OP trägt. Heute besitze ich eine ganze Auswahl selbst genähter und gekaufter Masken. Und weil mein letztes Jahr dank meines Buchs ja viel um die Frage von Nachhaltigkeit und Ökobilanzen kreiste, beschäftigt mich natürlich auch das Thema, welcher Mund-Nasen-Schutz der umweltverträglichste ist und wie man die Dinger effektiv, aber auch mit vernünftiger Umweltbilanz wieder sauber bekommt. Denn spätestens, wenn die Maske durchgefeuchtet ist, muss sie gewechselt werden.

Fangen wir mit der Herstellung an. Die Einwegmasken, die man mittlerweile fast überall in der Großpackung bekommt, fühlen sich an, wie eine Art Hygienepapier. Auf der Packung entdecke ich keinen Hinweis zum Material. Nachdem ich eine Maske zerlegt habe, weiß ich zumindest, dass es sich um drei Lagen handelt. Aber drei Lagen wovon? Im Internet finde ich schließlich einen Hersteller des Ausgangsmaterials, der mir erklären kann, was ich da gekauft habe: Die Masken sind aus Vlies. Dabei werden Fasern nicht gewebt sondern anderweitig verbunden. Diese Fasern bestehen üblicherweise aus mehreren Schichten Polypropylen, einem Kunststoff, der aus Rohöl gewonnen wird. Auf jeden Fall schon mal ein Minuspunkt für die Einwegmasken…

  Mund-Nasen-Schutz

Ich habe lange nach verlässlichen Zahlen gesucht, wie die Ökobilanz der Herstellung von Einwegmasken aussieht, und bin nicht so richtig fündig geworden – selbst das Umweltbundesamt musste da passen… offenbar ein zu neues Thema. Das Heidelberger ifeu Institut schätzt den CO2-Abdruck von einem Kilogramm des Ausgangsmaterials einer Einwegmaske auf etwa 2 Kilogramm CO2-Äquivalent. Meine Maske wiegt 2 Gramm, damit wären das dann etwa 4 Gramm pro Maske. Korrekt eingesetzt verschleißt man am Tag zwei von den Dingern. Damit landet man bei knapp 3 Kilogramm im Jahr – etwa so viel, wie die Produktion von einem Kilogramm Schweinfleisch benötigt. Aufs Jahr gerechnet wäre das also gar nicht so viel. Fast alle Masken, die es aktuell im Handel zu kaufen gibt, stammen aus China. Aber angesichts des wirklich minimalen Gewichts ist der Transport bei der Umweltbilanz kein wesentlicher Faktor.

Trotzdem sind die Vliesmasken eine potentielle Umweltsünde. Denn problematischer ist, was mit den Masken hinterher geschieht: Polypropylen ist – wie andere Plastikarten – sehr lange haltbar und zersetzt sich nicht. Polypropylen bleibt deshalb (wie andere Kunststoffe auch) als Plastikmüll über viele Jahrzehnte erhalten und zerreibt sich in feinste Teilchen, dem Mikroplastik. Gerade im Meer ist das schlecht, da die Polypropylen-Partikel dort gemäß den Erkenntnissen der Universität San Diego viele Umweltgifte aufnehmen. Diese können mitsamt dem Mikroplastik von Meeresbewohnern verschluckt werden oder im Grundwasser landen. Auf Youtube gibt es ein Video aus dem Februar, das bei Honkong viele solcher Masken im Meer dokumentiert – Bilder, die mir großes Unbehagen verursachen.

Klimasünder Baumwolle

Auch die Baumwolle, aus der selbst genähte Alltagsmasken meist gefertigt sind, ist kein ganz unproblematisches Produkt. Der Anbau ist extrem wasserintensiv, und das dann oft ausgerechnet in Ländern, wo Wasser sowieso knapp ist, weil Baumwolle ein heißes, trockenes Klima benötigt. Hinzu kommt der erhebliche Einsatz von Pestiziden. 2012 hat eine Beratungsfirma für ein Versandhaus den ökologischen Fußabdruck eines weißen Damen-T-Shirts berechnet. Für den Baumwollanbau und die Herstellung des 200 Gramm schweren Kleidungsstücks fallen 4,27 Kilo CO2-Äquivalent an. Meine Lieblingsmaske wiegt 6 Gramm (inklusive Gummis, aber die vernachlässige ich hier der Einfachheit halber mal). Das wären dann also schon mal 128 Gramm C02-Äquivalent. Bei Bio-Baumwolle fällt das Pestizid-Thema weg und der Wasserverbrauch ist deutlich geringer, aber auch da ist der Ressourcenverbrauch noch relativ hoch.

Nun werden aber viele Masken aus Material genäht, das ohnehin schon da ist und nicht eigens produziert wird. Stoffreste, die noch zu Hause herumliegen. Oder der Verschnitt, der in Schneidereien anfällt – in München bei Noneeh, zum Beispiel, macht die wunderbare Rahmée Wetterich Masken aus westafrikanischen Stoffen, aus denen sie sonst sehr spezielle Dirndl schneidert. Weil die Stoffmenge für die Masken so gering ist, nutzen viele kleine Modefirmen, die durch die Corona-Krise schwer gebeutelt sind, das Maskengeschäft als rettende Resteverwertung – damit fällt bei diesen Stoffrest-Masken die CO2-Bilanz bei der Herstellung quasi weg. Der Energieverbrauch beim Nähen und Bügeln ist so gering, dass ich den jetzt nicht einzeln aufdrösele.

Masken recyceln?

Einwegmasken – leider nein. Auch wenn Polypropylen an sich ein gut recyclebarer Kunststoff ist – die Einwegmasken müssen zwingend in den Restmüll, weil sie mit Keimen belastet sind. Schon mal schlecht! Siehe oben…

In der ersten Not, als Masken aller Art extrem knapp waren, hat das Robert Koch Institut einen Wegweiser veröffentlicht, wie man Einwegmasken hygienisch zweitverwerten kann. Eigentlich ging es dabei allerdings in erster Linie um den Einsatz in Krankenhäusern, mit deren speziellen Möglichkeiten des Handlings. Grundsätzlich hält eine Einweg-Maske ein einmaliges Erhitzen im Backofen in aller Regel aus. Allerdings gehen die Dinger meiner Erfahrung nach sowieso relativ schnell kaputt, zum Beispiel weil bei Billigprodukten die Gummis so windig befestigt sind, dass sie mehrmaliges Auf- und Absetzen gar nicht überstehen.

Bei FFP-Masken ohne Filter, die ja auch deutlich teurer sind, als der einfache Mundschutz aus Vlies, lohnt sich die Aufbereitung im Backofen eher. Allerdingst ist nicht gesichert, dass die speziellen Filtereigenschaften dieser Maske erhalten bleiben.

Masken ökologisch sinnvoll reinigen

Bei Stoffmasken wiederum gibt es mehrere Möglichkeiten, die Maske wieder einsatzbereit zu bekommen. Alle haben hygienisch und ökologisch Vor- und Nachteile:

  1. Backofen – 30 Minuten bei 70 °C
    Die einzige Methode, die zumindest in der Theorie auch bei Einwegmasken funktionieren würde. Die Uniklinik Tübingen hat jedenfalls herausgefunden, dass die Faserstruktur von Vliesstoffen das Erhitzen selbst auf über 100 °C gut übersteht.
    Allerdings ist beim Backofen zuhause nicht gesichert, dass tatsächlich überall im Ofen auch tatsächlich diese Temperatur erreicht wird. Im Zweifel lieber mal an der Stelle, wo man die Maske platziert, nachmessen. Zudem zählen die 30 Minuten natürlich erst ab Ende des Vorheizens. Und am Ende sind dann zwar die Keime tot, der restliche Dreck jedoch ist immer noch drin…
    Was die Ökobilanz betrifft: Es gibt keine sehr präzisen Zahlen, wie der CO2-Abdruck eines einzelnen Backvorgangs aussieht. Ich setze hier jetzt nur den Energieverbrauch an – denn es wird sich ja niemand einen Backofen nur zum Masken desinfizieren anschaffen. Pro Backvorgang benötigt ein Gerät je nach Energieklasse 0,4 (A+++) bis 0,8 (A) Kilowattstunden Strom. Das wären dann auf der Grundlage des Deutschen Energiemixes 160 bis 320 Gramm CO2-Äquivalent.
  2. Mikrowelle
    Eine US-Studie hat diese Methode für tauglich befunden: Die Maske wird mit der Außenseite nach unten auf zwei Gefäße mit jeweils 50 Milliliter lauwarmem Leitungswasser in die Mikrowelle gepackt und bei 750 Watt zwei Minuten lang erhitzt. Der Wasserdampf reinigt demnach die Maske, ohne die Filterwirkung zu beeinträchtigen.
    Diese Methode funktioniert allerdings nur bei Masken ohne Metallteile, andernfalls kann das richtig gefährlich werden, Funkenflug, Feuerwehr… Und auch hier ist die Maske hinterher zwar keimfrei, aber immer noch verschwitzt.
    Die Energiebilanz der Mikrowelle ist dafür viel besser, als die des Backofens und liegt etwa bei 12 Gramm CO2-Äquivalent pro Vorgang.
  3. Bügeleisen
    Dieses System funktioniert ausschließlich bei Stoffmasken, für Vlies werden Bügeleisen schlicht zu heiß. Bei mittlerer Stufe erreicht man etwa 150 °C. Allerdings muss man die Masken sehr gründlich und ausführlich bügeln, am besten von beiden Seiten und auch in den Falten. Auch hier bleibt eventueller Dreck im Gewebe.
    Dafür ist auch die Bügelmethode energiesparender, als der Ofen, mit etwa 20 Gramm CO2-Äquivalent bei fünf Minuten Bügeldauer
  4. Waschmaschine bei 60 °C
    Im Prinzip die effektivste Methode, und übrigens die einzige, die von amtlicher Seite empfohlen wird. Unbedingt allerdings ohne ECO-Programm, denn das erreicht nicht immer zuverlässig wirklich 60 °C.
    Jetzt kommt es darauf an, wie oft im Haushalt 60 Grad-Wäschen anfallen – denn nur eine volle Waschmaschine ist eine ökologisch korrekte. Wer ausreichend Masken besitzt, so dass er darauf immer warten kann – wunderbar, dann zählt das Waschen bei der Ökobilanz angesichts der geringen Größe dieser Textilien quasi nicht mit! Extra die Maschine starten bedeutet pro Waschgang ein CO2-Äquivalent von 750 Gramm.
  5. Auskochen
    Als ich kürzlich mit meinem Kamerateam zum Drehen unterwegs war, hatte ich im Hotel logischerweise keine dieser Methoden zur Verfügung – stattdessen aber einen Wasserkocher dabei. Denn das funktioniert auch: Maske(n) in einen Topf, mit kochendem Wasser übergießen, 10 Minuten stehen lassen. Noch effektiver mit einem TL Waschmittel. Bis zu einer Menge von 1,5 Litern ist der Wasserkocher allen anderen Methoden, Wasser zu erhitzen, überlegen und kommt beim Erhitzen von einem halben Liter auf ein CO2-Äquivalent von etwa 24 Gramm.

Ich muss gestehen, dass mich das Ergebnis selbst überrascht hat – erst wenn ich sechs Masken aus Stoffresten parallel koche, ist die CO2-Bilanz besser als bei der Einwegmaske auf Vlies. Allerdings kommt bei der eben noch das erhebliche Abfallproblem hinzu. Mein Fazit deshalb: Die Maske sollte wiederverwertbar sein – also doch lieber Stoff. Und aus Stoff, der nicht extra dafür produziert ist – also Reste. Schön, wenn man zudem seiner Lieblingsdesignerin oder -boutique in diesen komplizierten Zeiten eine Einnahmequelle verschaffen kann.

Was das Reinigen betrifft: Wenn wir nicht gerade ohnehin eine volle 60 Grad Wäsche am Start haben, werde ich künftig immer gleich möglichst viele Masken auf einmal auskochen. Und habe jetzt einen wunderbaren Vorwand, mir noch ein paar hübsche Masken mehr zuzulegen. Shopping in Zeiten von Corona… neue Normalität heißt das jetzt, glaube ich…

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