Wie schaffen wir den vielen Strom heran, den wir Tag für Tag verbrauchen? Und woran erkene ich einen seriösen Ökostromanbieter?

Trotz immer sparsamer Geräte und Technologien verbrauchen wir nicht weniger Energie, sondern mehr. Dieses Phänomen heißt „Jevons‘ Paradoxon“, nach dem britischen Wissenschaftler, der das schon 1865 erstmals beobachtete: Die effizientere Nutzung eines Rohstoffs führt letztlich dazu, dass dieser nicht weniger, sondern mehr genutzt wird. Heizungen werden energiesparender, dafür leisten wir uns größere Wohnungen. Auch unsere Fernseher sind viel größer geworden. Autos nutzen den Sprit besser, dafür haben sie mehr PS. Die Digitalisierung unserer Welt steigert weltweit den Stromverbrauch jährlich um neun Prozent. Und jetzt sollen noch massenhaft Elektroautos dazukommen…

Das Ende des Atomzeitalters – oder doch nicht?

Zum 1. Januar sind drei Atomkraftwerke in Deutschland endgültig vom Netz gegangen, gleichzeitig kündigte die EU-Kommission an, die zivile Nutzung der Kernenergie  in der so genannten Taxonomie künftig als klimafreundlich einstufen zu wollen. Das Atomzeitalter endet vorerst nur in Deutschland. Die tröstliche Nachricht daran: Wirtschaftlich lohnt sich der Bau von Kernkraftwerken nur, wenn der Staat massiv mit einsteigt. Ob wirklich Investorengelder in die Kernenergie wandern anstatt in den Ausbau erneuerbarer Energie wird auch davon abhängen, wie sich großer Staaten (und Energieabnehmer) wie Deutschland in Sachen erneuerbarer Energien und deren Förderung positionieren – da kann unsere neue Regierung in den nächsten Monaten aktiv zeigen, wie ernst sie es mit der Klimawende meint.

Woher kommt mein Strom?

Aber kann ich als Kundin überhaupt so genau wissen, welcher Strom aus meiner Steckdose kommt?

Um das vorneweg zu klären: nein, kann ich nicht. Auch als Ökostromkunde kann es theoretisch sein, dass der tatsächliche Strom in meinem Haushalt aus der Braunkohle-Dreckschleuder um die Ecke stammt. Man kann sich die Stromerzeugung und -verteilung im Prinzip wie einen riesigen See vorstellen. Alle Stromlieferanten leiten ihren Strom in diesen See, und alle Kunden werden daraus beliefert. Weil aber ab dem Einspeisen die einzelnen Energieströme nicht mehr trennbar sind, lässt sich nie so genau sagen, wo und wie präzise der Strom erzeugt wurde, der in diesem Moment mein Wohnzimmer erleuchtet. Genauso, wie ein Schwimmer im Rhein bei Köln nicht wissen kann, ob die Wassermoleküle um ihn herum aus der Schweizer Rheinquelle stammen, oder von irgendeinem anderen Zulauf des Bodensees, den der Rhein auf seinem Weg zur Nordsee durchfließt.

Trotzdem erhöht natürlich jeder, der seinen Strom bei einem Anbieter kauft, der auf erneuerbare Energien setzt, den Anteil des Ökostroms an der Gesamtmenge. Der gemeinnützige Verein EnergieVision zertifiziert Anbieter nach gut nachvollziehbaren Kriterien mit dem OK-Power-Siegel: Dazu gehören unter anderem die Herkunft des Stroms zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen, also Wasserkraft, Biomasse, Photovoltaik, Windkraft, Geothermie und Klärgas. Zudem müssen die Anbieter einen Beitrag zur Beschleunigung der Energiewende bzw. zur Integration erneuerbarer Energien ins Versorgungssystem leisten.

Die Energiewende mit gestalten

Wie gesagt: Die Energiewende wird Geld kosten. Das ist auch das Problem an der EU-Taxonomie: Wir werden so viel Investorengelder wie möglich im Bereich der regenerativen Energien brauchen. Wir als Kundschaft können dazu beitragen, indem wir uns Ökostromanbieter suchen, die aktiv einen Beitrag leisten, neue Kapazitäten auszubauen und nicht nur Strom aus Wasserkraft aus alten Kraftwerken irgendwo in Norwegen einspeisen, um ihre Bilanz zu schönen.

Das Umweltportal Utopia hat im Dezember Ökostromtarife vorgestellt, die dieses Kriterium erfüllen. Wie so oft gilt auch hier wieder: Wir treffen nicht die großen Entscheidungen. Aber mit der Entscheidung, wem wir unser Geld geben, haben wir Anteil am großen Ganzen.