Gerade machen die Zeit, der SWR und das Online-Magazin Flip Schlagzeilen mit ihren Recherchen zum Online-Riesen Zalando. Für mich Anlass, das Thema Online-Shopping nochmal zu beleuchten. Denn wie so oft ist hier „Richtig“ und „Falsch“ komplex…

Der Online-Handel gilt als großer Gewinner der Corona-Zeit. Im Grunde gilt das aber vor allem für die großen Player. Je mehr wir das Einkaufen ins Netz verlagern, desto schwerer wird das Überleben gerade für kleine Geschäfte, ob analog oder digital – und uns geht damit ein Stück Kultur verloren! Vor allem aber unterstützen wir fragwürdige Geschäftspraktiken, wie die Recherchen meiner Kolleg:innen belegen. Da wird einerseits mit Klimaneutralität und konsequenter Weiterverwertung der Retouren geworben, und in Wahrheit läuft vieles genau so, wie wir immer schon befürchtet haben…

Der Deutsche Handelsverband erfasst in seinem Online-Monitor, was wir Deutschen im Internet einkaufen. Befeuert durch Corona ist der Umsatz 2020 nochmal um fast ein Viertel gestiegen. Mit knapp unter 40 Prozent Online-Anteil an den gesamten Ausgaben lag die Produktkategorie Kleidung und Schuhe in dieser Studie klar auf dem ersten Rang, knapp dahinter der Bereich Elektro. Insgesamt liefen 2020 12,8 Prozent des gesamten Einzelhandels übers Internet, ohne Lebensmittel sogar 18 Prozent. Mich hat dabei ganz besonders der Siegeszug der virtuellen Modeboutiquen überrascht – schon vor der Pandemie war das mit 30 Prozent das stärkste Marktsegment. Denn gerade bei Kleidern und Schuhen hätte ich gedacht, dass man die Sachen doch probieren muss, um zu entscheiden, ob sie passen – und gut aussehen.

Auf der Suche nach dem passenden Stück

Genau hier liegt das erste, ganz große Problem beim Einkaufen im Internet: Wenn ich eine Umkleidekabine betrete, habe ich fast immer das gleiche Teil in mehreren Größen dabei – jeder Hersteller schneidert anders. In meinem Schuhschrank stehen Schuhe von Größe 39 bis 41. Weil das nicht nur mir so geht, bestellen viele auch im Internet sicherheitshalber immer gleich mehrere Größen und schicken das, was nicht passt, zurück. Das funktioniert deshalb, weil sich in Deutschland eingebürgert hat, dass der Versand uns Kunden nichts kostet und auch die Rücksendungen zu Lasten des Händlers erfolgen – das hat dem Online-Handel seinen Siegeszug gegen die stationären Geschäfte überhaupt erst ermöglicht.

Die Kleider stecken in der Regel in Plastikhüllen, die Schuhe in Kartons. Das würden sie im Einzelhandel auch tun, die Umverpackungen von Textilien sind in aller Regel die, in denen die Kleider so schon vom Hersteller ausgeliefert werden. Wenn ich nun aber drei Blusen auspacke und zwei zurückschicke, sind zwei zusätzliche Umverpackungen kaputt und müssen ersetzt werden. Außerdem macht das Aus- und Umpacken der zurückgesandten Artikel Arbeit. Arbeit kostet Geld. Immer öfter ist es deshalb für den Onlinehändler ökonomischer, die Retouren einfach wegzuwerfen.

Was wird zurückgeschickt?

Das Kölner Handelsforschungsinstitut EHI hat im Mai 2019 untersucht, welche Produktgruppen wie oft im Müll landen. Bei Bekleidung ist einerseits die Rücksendequote mit 40 Prozent demnach besonders hoch. Die Autoren der Studie geben dann jedoch Entwarnung: 82 Prozent der Kleidungsstücke könnten später als A-Ware weiterverkauft werden – da hätten wir dann also nur die zu ersetzenden Verpackungen auf der Negativseite.

Aber 82 Prozent… das bedeutet immer noch: 18 Prozent sind B-Ware und wandern in Outlets, oder eben schlimmstenfalls doch in den Müll. Das ist fast ein Fünftel. Wenig finde ich das nicht, in Zeiten, wo wir über jedes Beutelchen im Supermarkt nachdenken. In der Boutique würde ich die nicht passenden Klamotten einfach wieder auf die Stange hängen, und die nächste Kundin schlägt zu.

Was der Retouren-Wahn konkret bedeutet

Über sämtliche Warengruppen hinweg können gemäß der Studie 70 Prozent aller Retouren problemlos weiterverwendet werden. 30 Prozent also nicht. Stellen Sie sich das bitte mal bildlich in einem Laden vor: Von zehn Packungen Keksen, die sie im Laden kurz in der Hand halten und dann doch nicht mitnehmen, kämen drei danach in die Tonne – fällt Ihnen etwas auf? Krass, oder?

Gerade zurückgesandte Kosmetikartikel, Medizin-, Gesundheits- und Wellnessprodukte und Lebensmittel landen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dem Müll, ebenso wie Saisonartikel: Bevor man die Osterdeko bis zum nächsten Ostergeschäft einlagert und neben der Arbeitszeit auch die Lagerfläche bezahlt, verbrennt man sie lieber – das spart Kosten, verschlechtert aber die Ökobilanz massiv. Waren, die hergestellt werden, und dann nicht mal benutzt, bevor sie direkt wieder zu Abfall werden – so hässlich kann Konsumgesellschaft sein! Und was bei der Zalando-Recherche herauskam, ist in Sachen Nachhaltigkeit fatal: Die zurückgesandten Waren waren tausende Kilometer unterwegs, von Lager zu Lager zu Lager, und vieles landete eben doch im Schredder.

Es geht auch anders

In Frankreich ist das Vernichten von gebrauchsfähiger Neuware seit 1. Januar 2022 übrigens verboten. Die neue Regelung umfasst Textilien, aber auch elektronische Produkte, Batterien, Möbel, Tintenpatronen sowie Hygiene- und Kinderpflegeprodukte, Geräte zur Aufbewahrung und zum Kochen von Lebensmitteln, Produkte zur Unterhaltung und Freizeitgestaltung sowie Bücher und Schulbedarf.

Die Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg erhebt mittlerweile regelmäßig den „Retourentacho“. Demnach ist die vermeintlich kostenlose Rücksendung für uns Kunden relativ teuer: „Ein retournierter Artikel verursacht im Durchschnitt Kosten in Höhe von rund 11 Euro, inklusive Porto und Bearbeitungsgebühr. Dieses Geld ist bereits im Verkaufspreis miteinkalkuliert“, so Björn Asdecker, Leiter der Forschungsgruppe. „Der Käufer bezahlt somit die Retouren der anderen.“ Die vielen Rücksendungen wirken sich außerdem auf die Umwelt aus. Rund 238.000 Tonnen CO2-Äquivalente (CO2e) berechnet Asdecker für das Jahr 2018: „Dies entspricht in etwa der Umweltwirkung von täglich 2.200 Autofahrten von Hamburg nach Moskau.“ Die Forscher empfehlen deshalb die verpflichtende Einführung einer Rücksendegebühr, um uns preisbewusste Kunden so zu disziplinieren.

Ökofaktor Lieferung

Die Verkehrsbelastung durch den Lieferverkehr ist  kein besonders großer Faktor. Mich hat das überrascht. Zwar muss auch der Einzelhandel mit Ware beliefert werden. Allerdings landet dort immer eine größere Menge Ware auf einmal an. Die vielen einzelnen kleinen Pakete, die von einem immer größeren Heer von unterbezahlten Zustellern durch die Stadt gefahren werden, waren in meiner Wahrnehmung ein wesentlicher Faktor bei der Verkehrsbelastung unserer Städte, auch wenn die Post-Tochter DHL mittlerweile ihre Lieferwagen auf Elektrobetrieb umrüstet. Gefühlt steht in meiner Straße zu Hause die Hälfte des Tages mindestens ein Lieferwagen irgendeines Kurierdienstes in zweiter Reihe und liefert Ware aus.

Doch angenommen, dieser Lieferwagen ersetzt private Autofahrten zum Einkaufen – dann wäre die Bilanz eines Elektro-Lieferwagens im Stadtviertel im Vergleich zu ein paar Hundert Autofahrten zum Laden besser. Wären die Kunden indes alle mit dem Rad shoppen gegangen, oder hätten ihre Einkaufstour auf dem Rückweg von der Arbeit gemacht, kippt die Bilanz schon wieder. Sie sehen, das seriös zu beziffern, ist praktisch unmöglich. Aber unterm Strich verursacht jeglicher Konsum Verkehr, unabhängig davon, ob wir online shoppen oder analog einkaufen.

Die Macht der Monopole

53 Prozent der Onlinekäufe laufen laut Online-Monitor des Deutschen Handelsverbandes über die Plattform von Amazon. 19 Prozent des Umsatzes gehen dabei direkt an den US-Riesen, der Rest wird von Händlern generiert, die Amazon als Zwischenhändler nutzen und dafür Provision zahlen. Mir sind Monopole nie sonderlich sympathisch. In den Anfangszeiten von Amazon wären mehrere Bestellungen am gleichen Tag oder beim gleichen Einkauf wenigstens noch im gleichen Paket gelandet.

Mittlerweile gibt es oft ein Paket pro Kauf – noch mehr Verpackung. Wahrscheinlich wäre es logistisch viel zu komplex; im Zweifel lagert die Ware wahrscheinlich nicht mal in der gleichen Stadt. Da gefällt mir der Gedanke viel besser, dass am anderen Ende meiner Bestellung jemand EIN Paket FÜR MICH packt. Aber wenn man sich erstmal entschieden hat, im Internet zu shoppen, muss man schon richtig gezielt NICHT Amazon ansteuern. Was immer man sucht – die Seite ist stets unter den ersten und günstigsten Treffern. Langfristig kann das nicht gut sein für uns Kunden – Wettbewerb hält die Preise niedrig und hilft den Kleinen, sich mit besonderen Angeboten am Markt zu behaupten.

Also was tun? Ich habe hier ein paar Tipps:

• Support you local dealer! Kaufen Sie öfters einfach beim netten Händler um die Ecke – der freut sich, und Sie tun der Umwelt etwas Gutes.
• Das Problem beim Online-Shopping ist weniger der Lieferverkehr als die Verpackung und die Verwertung zurückgesandter Waren.
• Fragen Sie Händler, wie sie mit Retouren umgehen – wenn die Retoure Geld kostet, könnte das ein Zeichen dafür sein, dass sich der Anbieter tatsächlich die Mühe macht, rückgesandte Ware wieder in den Verkauf zu bringen.
• Kleine Online-Händler machen sich oft mehr Mühe mit einer nachhaltigen Verpackung als etwa Amazon.
• Bestellen Sie nicht mehrere Teile auf Verdacht, sondern versuchen Sie im Vorfeld Passform und Größe zu checken – viele Händler bieten dafür Maßtabellen.
• Besonders schlecht ist die Ökobilanz beim Lebensmitteleinkauf – wegen des Kühlaufwandes und der sehr aufwändigen Verpackungen.