Ab wann empfinden Kükenembryonen Schmerz? Diese vermeintlich abseitige Frage betrifft alle, die gerne Eier essen: Denn das Verbot, Embryonen nach dem 7. Tag zu töten, soll jetzt aufgeweicht werden, auf Grundlage einer neuen Studie.

Seit dem 1. Januar 2022 ist ein langjähriger Misstand Geschichte. Seitdem dürfen männliche Küken nicht mehr routinemäßig geschlachtet werden. Und auch die Geschlechterbestimmung im Ei, die diesen Tötungsvorgang nach vorne verlegt, ist gesetzlich geregelt. Das Bundeslandwirtschaftsministerium teilt dazu auf seiner Homepage mit:

Vom 1. Januar 2024 an ist es ab dem 7. Bebrütungstag verboten, die Bebrütung männlicher Embryonen unter Zuhilfenahme der Geschlechtsbestimmung abzubrechen (bis zum Schlupf würden insgesamt 21 Tage vergehen). Diese Regelung basiert auf den seinerzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Schmerzempfinden bei Hühnerembryonen (siehe Gesetzentwurf der seinerzeitigen Bundesregierung). Dieser wissenschaftliche Kenntnisstand ist zwischenzeitlich überholt: Ein Entscheidungshilfe-Vorhaben des BMEL ist zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Schmerzempfinden der Hühnerembryonen erst ab dem 13. Bebrütungstag nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Aus diesem Grund plant das BMEL, bei dem im Jahr 2024 greifenden Verbot den 7. durch den 13. Bebrütungstag zu ersetzen.

Staatlich genehmigte Gesetzesbrüche

Bei Hühnern wurden jahrzehntelang ganz offen die männlichen Küken aus Legehennen-Zuchtlinien geschreddert oder vergast, weil die Mast dieser mageren Tiere – gezielt darauf hingezüchtet, dass jegliche Energie aus dem Futter in die Eierproduktion geht, nicht in einen Fleischansatz – sich wirtschaftlich nicht lohnte. Diese Kükentötung ist in Deutschland seit 1. Januar 2022 gesetzlich verboten. Generell wäre auch zuvor in Deutschland die Tötung eines Tieres nur mit „vernünftigem Grund“ zulässig gewesen. In der Auslegung des Gesetzgebers ist damit Fleischerzeugung gemeint. Schlechte Futterverwertung als Tötungsgrund fällt eindeutig nicht darunter. Die unter extremem Preisdruck operierenden Landwirt:innen haben also die Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder Leistungseinbußen hinnehmen und draufzahlen. Oder sich am Rande des Gesetzesbruchs durchwurschteln. Im Fall der Küken gab es bis Ende 2021 Sondergenehmigungen.

Jetzt könnte man sich ja über die neue Gesetzgebung freuen. Der deutsche Tierschutzbund jedoch schlägt Alarm:

„Die Gesetzesänderung zum Kükentötungsverbot wird von der Ampel-Koalition geräuschlos und ohne parlamentarische Debatte im Schnellverfahren durchgepeitscht. Durch die geplante Gesetzesanpassung wird die Geschlechterbestimmung im Ei als technische „Lösung“ zementiert – und damit die „Entsorgung“ männlicher Embryonen aus wirtschaftlichen Gründen dauerhaft legitimiert. Das Leid der überzüchteten Legehennen und Masthühner wird weiter in Kauf genommen“

Warum sind männliche Küken überflüssig?

Das liegt an den Bedürfnissen einer industrialisierten Erzeugung von Eiern: Das eierlegende Huhn hat sich dabei stark verändert. Die Wildform schaffte ungefähr 15 Eier – im Jahr! 15 Eier legt eine Legehenne heute in weniger als 3 Wochen, im Jahr kommen Hühner heute auf stolze 300 Eier.

Auf dem Weg zu dieser Turboleistung kam den Tieren der Fleischansatz abhanden. Die gute Legehenne verwandelt jegliche Futterenergie in Eier. Deshalb ist es sehr langwierig und futterintensiv, die männlichen Tiere dieser Zuchtlinie schlachtreif zu mästen. Und was sich nicht lohnt, wird auch nicht gemacht.

Embryonen statt Küken zu töten ist da ein Schritt zum Besseren – aber gut ist das trotzdem nicht, zumal aus meiner Sicht nicht wirklich abschließend geklärt ist, wie das nun wirklich ist, mit dem Schmerzempfinden der Tiere bzw Emryonen.

Besser: Eier aus Brudertier-Haltung

Dort werden auch die männlichen Küken aufgezogen und verwertet – deren Fleisch ist etwas härter,härter als das von herkömmlichen Masthühnern. Streng genommen verschlechtert das indirekt allerdings wieder die Klimabilanz der Eier. Denn Bruderküken brauchen länger, bis sie ein ökonomisch sinnvolles Schlachtgewicht auf die Waage bringen und fressen dadurch einiges mehr. Aber so lange dieses Futter aus heimischen Leguminosen besteht und nicht aus brasilianischen Sojabohnen, können wir das vernachlässigen. Das System funktioniert natürlich nur, wenn jeder, der Eier essen möchte, auch gelegentlich ein Suppenhuhn – das sind meist in die Jahre gekommene Legehennen – oder einen Bruderhahn kauft.

Anstatt Geld in die Erforschung des Schmerzempfinden von Embryos zu investieren, würde ich mir wünschen, dass das BMEL massiv die Rückzüchtung von Hühnern fördert, zu echten Zweinutzungsrassen, die etwas weniger Eier legen und nicht so rasant Fleisch ansetzen, wie ihre Verwandschaft aus den Mastzuchtlinien. Aber die wieder etwas mehr mit dem Tier zu tun haben, das das Huhn war, bevor wir an ihm herumgepfuscht haben.

Worauf kommt es beim Eier kaufen an?

Eier sind, wahrscheinlich das tierische Erzeugnis mit der klarsten Herkunftskennzeichnung – zumindest so lange wir sie lose kaufen. Bei Eiern ist die Haltungsform nicht nur ein Indiz dafür, ob das Huhn es nett hatte, sondern auch entscheidend für die Nachhaltigkeit. 60 Prozent der Ökobilanz von Eiern gehen zu Lasten der Ernährung des Huhns. Pro Ei vertilgt eine Legehenne etwa 150 Gramm Futter – da ist es schlecht, wenn das Sojaschrot war, für den am anderen Ende der Welt Soja angebaut wurde, womöglich auch noch auf gerodetem Regenwaldboden.

• Zehn frische Eier essen wir Deutsche pro Monat. Wenn wir die nur noch als Bio-Eier von Zweinutzungshühnern essen würden statt zu Billigeier aus dem Discounter zu greifen, würden wir nur etwa vier Euro mehr im Monat ausgeben. Ich weiß, gerade ist alles teuer … aber das ist der Preis eines mittleren Cappuccinos bei Starbucks, für viel mehr Tierwohl und Klimaschutz.

• Glückliche Hühner brauchen kleine Herden, mit klaren Hierarchien. Kaufen Sie nur Eier aus Betrieben, wo Sie etwas über die Haltungsbedingungen erfahren können. Am besten ist die Haltung in mobilen Ställen, die regelmäßig versetzt werden.

• Im konventionellen Lebensmittelhandel herrscht enormer Preisdruck, der oft an die Erzeuger weitergegeben wird. Das gilt dort auch im Bio-Bbereich. Sicherer gehen Sie, wenn Sie direkt ab Hof kaufen. Unter den Bio-Siegel hat Demeter grundsätzlich die strengsten Tierschutzauflagen.

• 28 Tage beträgt die Mindesthaltbarkeit von Eiern. Erst zehn Tage vor Ablauf müssen sie gekühlt werden.

• Eier nie waschen, wenn sie noch lagern sollen. Wird die Außenhaut verletzt, können Keime ins Innere gelangen. Der Industrie ist es deshalb sogar verboten, Eier zu waschen.