Übermorgen kommt mein neues Buch in den Handel – „Mein Lebensmittelkompass“ bietet alles, was man über nachhaltiges Einkaufen und Essen wissen muss. Meine wunderbare Presseagentin Julia Meyn hat mich aus diesem Anlass interviewt – als kleinen Vorgeschmack auf das, was Euch im Buch erwartet:

  1. Liebe Katarina, „Mein Lebensmittelkompass“ ist das drittes Buch, das Du im Goldmann Verlag zum Thema Nachhaltigkeit veröffentlichst. Um was geht es diesmal?

Ich gehe der Frage nach, wie wir zu Lebensmitteln kommen, die wir guten Gewissens kaufen können: klimafreundlich, nachhaltig, fair und trotzdem bezahlbar.

  1. Welche Aspekte des Lebensmittel-Einkaufs hast Du für Dein Buch ausgewählt und warum?

Im ersten Teil des Buches geht es um den Lebensmittelmarkt bei uns: Wer bestimmt, welche Ware wir auf den Tisch bekommen? Wer sind die großen Klimasünder? Wie kann ich herausfinden, welchen Rucksack an Problemen ich im Einkaufskorb nach Hause trage?
Im zweiten Teil beleuchte ich sortiert nach Warengruppen wie Fleisch, Gemüse und Milch etc. welche Ökobilanzen unsere Lebensmittel haben, worauf ich beim Einkaufen achten kann und wie ich Greenwashing und Öko-Mythen vermeide.

Der dritte Teil ist eine Art Nachschlagewerk, wo genau erklärt wird, was sich hinter Tierwohl- oder Regionalsiegeln verbirgt, mit Wegweisern durch Kennzeichnungsdickicht bei Zusatzstoffen, Tarnbezeichnungen für Zucker u.s.w.

  1. Welche fünf Tipps hast Du schon jetzt für Menschen, die ihre Lebensmittel fair und nachhaltig einkaufen möchten?

Darf ich auch sechs?

  1. Pflanzliche Lebensmittel sind klimaschonender und sollten der Hauptbestandteil unserer Ernährung sein
  2. Produkte aus ökologischer Landwirtschaft gehen schonender mit der Ressource Natur um – und besser fürs Tierwohl sind sie sowieso
  3. Regional und saisonal essen – was nicht weit reisen musste, ist besser fürs Klima, was nicht im Gewächshaus wächst, schmeckt besser und ist nährstoffreicher
  4. Jeder Verarbeitungsschritt verursacht Emissionen. Deshalb zu gar nicht oder wenig verarbeiteten Lebensmitteln greifen
  5. Fair gehandelte Lebensmittel kaufen! Warum das besser ist, muss man gar nicht erklären, Ausbeutung ist nicht in Ordnung. Punkt.
  6. Lebensmittelverschwendung konsequent vermeiden
  1. Jetzt mal „Butter bei die Fische“: Welches Lebensmittel hat den größten CO2-Abdruck?

Richtiges Stichwort: Butter! Man braucht relativ viel Milch für die Erzeugung. Deshalb sollte man Butter sparsam einsetzen. Man kann zum Beispiel in Öl braten und erst am Schluss etwas Butter dazugeben, für den Geschmack. Generell sind alle Erzeugnisse rund ums Rind von der CO2-Bilanz her schlecht. Allerdings ist das auch ein gutes Beispiel dafür, dass CO2 beim Thema Klimafreundlichkeit nicht der einzige Faktor ist. Denn Weidehaltung ist auf vielen Böden die einzige sinnvolle Nutzung. Eine Kuhweide kann sehr humusreich sein, das bindet wieder viel CO2, viel mehr als ein Acker. Und durch ihre Tritte regen die Kühe die Durchwurzelung des Bodens an, das ist gut für die Wasserspeicherung.

  1. Welches Obst kann man im Winter klimabedenkenlos kaufen? Das meiste wächst ja nur, wenn es warm ist.

Zitrusfrüchte aus Europa haben keine sooo schlechte Ökobilanz, die sind im Winter für die Vitamin C-Versorgung sinnvoll. Äpfel aus Deutschland lagern dann zwar schon eine Weile im Kühlhaus, sind aber immer noch die bessere Wahl als Exoten oder Gewächshaus-Obst. Und mein Winterfavorit sind Quitten – ein tolles Obst!

  1. Warum ist Fairtrade-Schokolade im Grunde alternativlos?

Gerade beim Anbau von Kakao gibt es immer noch viel Kinderarbeit. Und die großen Plantagen sind Monokulturen, mit erheblichem Pestizid-Einsatz. Generell müssen wir mehr Wertschöpfung in die Länder des globalen Südens bringen, wenn wir es mit der Bekämpfung von Fluchtursachen ernst meinen.

  1. Und was spricht gegen industriell gefertigte Nahrung aus der Verpackung?

Einmal der hohe Verarbeitungsgrad – der verursacht Klimaschäden. Und dann kocht die Industrie oft ganz anders als wir – betrachtet man die Zutaten, dann ist Convenience oft erstaunlich teuer. Mit „echten“ Zutaten selbst gekocht ist preiswerter, und man kann sicher sein, regionale Waren verkocht zu haben, statt Zutaten aus China.

  1. Warum sind Bio-Lebensmittel scheinbar teurer als konventionelle Lebensmittel?

Bei vielen konventionellen Lebensmitteln ist ein Teil der Kosten quasi vergesellschaftet – zum Beispiel zahlen Trinkwasserkund:innen in Niedersachsen oft mehr, wegen der hohen Nitratbelastung des Grundwassers durch die Massentierhaltung. Eigentlich müssten solche Umweltschäden ins Produkt eingepreist sein.

Ein anderes, sehr ärgerliches Phänomen: In Folge der Energiekrise sind die Erzeugerkosten im konventionellen Bereich viel stärker gestiegen, als bei Bio. Aber die Supermärkte haben die Biopreise parallel genauso angehoben, in der Hoffnung, dass die Kundschaft das schon bezahlen wird.

  1. Aber warum werden die Kosten für die fleischkonsum-bedingte Trinkwasserreinigung nicht direkt beim Fleisch eingepreist? Dann würden die Leute automatisch weniger davon kaufen und die Tiere sowie das Klima wären geschützt.

Tja, gute Frage… Wenn man sich anschaut, wer gerade für die CDU und CSU in den Agrarausschüssen des Bundestages und des EU-Parlaments sitzt, wundert man sich darüber nicht mehr: Großbauern, die ihre Interessen zu schützen wissen…

  1. Was bedeutet „regional“ einkaufen und wie funktioniert das, wenn der Begriff ohnehin nicht geschützt ist?

Aus meiner Sicht bedeutet das, Produkte aus meiner näheren Umgebung. Leider kann jeder den Begriff selbst definieren, es gibt da keine Regeln. Ich würde da mit dem gesunden Menschenverstand herangehen. In einem kleinen Land wie der Schweiz muss man Regionalität anders definieren, als in Bayern – von Berchtesgaden nach Aschaffenburg sind es immerhin 450 Kilometer. Der Vorteil von „echter“ Regionalität: Ich kann mir im Zweifel tatsächlich ein Bild machen, wie die Produkte erzeugt werden.

  1. Warum sorgt die EU nicht für transparente Herkunftsbezeichnungen auf den Verpackungen?

Da sind wir wieder beim Thema Lobbyismus… Ich habe bei meinen Recherchen die Erfahrung gemacht, dass einem die Hersteller in der Regel ganz präzise sagen können, wo welche Zutat herstammt. Das könnte man ähnlich flexibel aufdrucken, wie heute schon das Mindesthaltbarkeitsdatum. Aber womöglich ist die Molkerei ja gar nicht daran interessiert, dass wir wissen, dass die Milch für das Joghurt aus Polen und die Erdbeeren aus China kommen.

  1. Welche Rolle spielen Lebensmittel-Produzenten für den nachhaltigen Konsum?

Wir können ja nur kaufen, was es auf dem Markt gibt. Deshalb spielen die Produzenten eine Schlüsselrolle. Wir Verbraucher:innen können aber auch etwas tun: gezielt die belohnen, die es heute schon gut machen. Und immer wieder nachfragen. Druck der Kundschaft hilft immer.

  1. Viele Bauern können einen erheblichen Teil ihrer Ernte nicht verkaufen, weil ihr Obst und Gemüse nicht den gängigen Handelsvorgaben in Bezug auf Form oder Farbe entspricht. Wie können wir Konsumenten darauf Einfluss nehmen?

Indem wir gezielt krumme Karotten kaufen, wenn es sie doch gibt. Und es gibt inzwischen Anbieter im Internet, die gezielt „aussortierte“ Ware vermarkten. Dazu gibt es Adressen in meinem Buch.

  1. Welche Möglichkeiten haben wir generell, um Lebensmittelverschwendung zu reduzieren?

Mit einem Plan einkaufen. Lebensmittel richtig lagern – auch dazu gibt es im „Lebensmittelkompass“ Hinweise. Und je weniger Stationen zwischen uns und den Erzeugern liegen, umso frischer ist die Ware – auch das hilft gegen Verschwendung. Die Orangen, die ich bei einem Crowdfarming-Projekt kaufe, hingen 48 Stunden zuvor noch am Baum und halten problemlos vier Wochen. 

  1. Wie müssten die gesetzlichen Mindestvorschriften für Tierhaltung ergänzt werden, damit Kühe, Schweine & Co endlich tiergerecht gehalten werden?

Im Grunde haben wir den gesetzlichen Rahmen schon: Das Tierschutzgesetz verbietet vieles, was in der konventionellen Tierhaltung gängige Praxis ist – da wird viel mit Sondergenehmigungen operiert. Generell würde ich mir wünschen, dass wir das Denken umdrehen: Was ist denn tiergerecht? Und damit sind ein paar Eckpunkte sehr offensichtlich: Auslauf, draußen, für alle Tiere. Platz. Ein artgerechtes Futter. Und Rassen, die keine Qualzuchten sind.

  1. Inwiefern beeinflusst der Krieg in der Ukraine unseren Lebensmittelkonsum?

Angesichts der hohen Preise steckt die Biobranche in einer tiefen Krise. Klar – wer plötzlich eine dreimal höhere Stromrechnung hat, muss sehen, wo er die Kosten wieder reinholt. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass sich das wieder geben wird.

  1. Derzeit berichten einige Medien, dass sich einzelne Lebensmittel-Produzenten an der Inflation bereichern. Wie kann ich erkennen, dass ein Unternehmen grundlos seine Preise erhöht?

Das bemerkt eigentlich nur, wer zunächst mal die alten Preise kennt und den Markt verfolgt – bei Sonnenblumenöl ist der Rohstoffpreis, zum Beispiel, längst wieder auf Vorkriegsniveau, teils sogar darunter, und trotzdem kassieren einige Produzenten auf einmal mehr als das Doppelte für die Flasche im Supermarkt. Das ist sehr ärgerlich! Glücklicherweise gibt es aber die Verbraucherzentralen, die Presse und – zum Beispiel – auch meinen Blog meinkonsumkompass.de, wo solche Fälle aufgedeckt werden.

  1. Und last but not least: Deinen ersten Dokumentarfilm über Lebensmittel hast Du vor über zehn Jahren gedreht. Hast Du das Gefühl, das die Kundschaft von heute aufgeklärter ist als die von „damals“?

Absolut! Ein schönes Beispiel sind die Mühen, die sich die Industrie beim Thema Geschmacksverstärker macht: weil niemand mehr Produkte mit Glutamat kauft, und auch zunehmend weniger mit Hefeextrakt, müssen die Hersteller immer wieder neue Tricks ersinnen. Oder die vielen Nudelfabrikanten, die mittlerweile freiwillig Freilandeier verwenden, obwohl sie das bei verarbeiteten Produkten gar nicht angeben müssten. Da sieht man, dass Kundendruck hilft, und der findet immer mehr statt.

Danke für Deine Zeit, liebe Katarina 🙂