Keine Angst: Es geht heute mal nicht um regionale Lebensmittel. Oder darum, ob wir als umweltbewusste Verbraucher*innen überhaupt tierische Produkte essen dürfen. Spannende Themen, gewiss. Aber noch spannender finde ich die Frage, wie wir beim Einkaufen besser herausfinden können, welchen Umweltrucksack wir mit einkaufen. Und da bekommen wir jetzt Schützenhilfe aus unerwarteter Richtung.

Ich werde in Interviews und bei Lesungen oft gefragt, was sich denn bei uns ändern müsste,damit wir bessere Lebensmittel zu angemessenen Preisen bekommen. Aus meiner Sicht ist die mangelhafte Kennzeichnung das zentrale Problem, das auf fast alle Bereiche ausstrahlt – weil sie in erster LInie den Interessen der schwarzen Schafe nutzt.

Stellen Sie sich zwei Fruchtjoghurts in einem Münchner Supermarkt vor. Links steht drauf, dass die Erdbeeren vom Bodensee stammen und die Milch von Kühen aus dem Allgäu. Rechts kommen die Erdbeeren aus China und die Milch wurde aus ganz Europa zusammengekarrt, zerlegt in einzelne Komponenten wie Molke, Eiweiß oder Sahne. Die Joghurts links kosten 40 Cent mehr pro Becher. Ich bin mir sicher, dass viele Kund*innen trotz des höheren Preises da zugreifen würden, einfach weil ihnen dabei wohler wäre. Noch besser würde sich der Regionaljoghurt vermutlich verkaufen, wenn zusätzlich noch die CO2 Bilanz aufgedruckt wäre, die angesichts der kürzeren Wege natürlich viel besser ausfällt. Und Freilandware würde so immer gegen Treibhausfrüchte gewinnen.

In der Realität jedoch haben wir wegen der geltenden Gesetzgebung keine Chance, diese Fakten herauszufinden. Es wäre sogar legal, wenn am Regal beim Joghurt rechts „aus unserer Region“ stünde, wenn nur die Molkerei in Bayern liegt. Doch diese Art Verbrauchertäuschung steht nun unter Beschuss, und zwar gewissermaßen aus dem Inneren des Systems heraus… Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat vor 5 Jahren ein ehrenamtliches Beratergremium eingerichtet, aus 18 hochkarätigen Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen, den Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz. Diese Runde hat am Freitag ein Gutachten vorgelegt, das eine echte Verbesserung für uns Kund*innen schaffen könnte – wenn denn nur das Ministerium auf seine eigenen Beraterrunde hören würde.

Was der Beirat fordert, spricht mir aus der Seele: er fordert…

„… Verbraucherinnen und Verbraucher durch die Gestaltung angemessener Ernährungsumgebungen bei der Realisierung einer nachhaltigeren Ernährung deutlich stärker als bisher zu unterstützen. Dazu gilt es erstens, solche Faktoren in den heute vorherrschenden Ernährungsumgebungen, die eine nachhaltigere Ernährung erschweren (z.B. große Portionsgrößen, hohe Werbeausgaben für ungesunde Lebensmittel), zu reduzieren. Dazu gilt es zweitens, mehr gesundheitsfördernde, sozial-, umwelt-und tierwohlverträgliche Wahlmöglichkeiten zu bieten, ein Erkennen nachhaltigerer Varianten zu erleichtern, einen einfacheren Zugang zu Informationen zu ermöglichen und Preisanreize zusetzen, die es naheliegender machen, die nachhaltigere Wahl zu treffen.“

Im Klartext heißt das: Die Expert*innen fordern verbindlichen CO₂-Angaben auf Lebensmittelverpackungen sowie die Einführung der Nährwertampel Nutriscore. Außerdem schlägt das Gremium ein verpflichtendes Tierschutzlabel vor.

Chapeau! Das wäre in der Tat eine großer Schritt in Richtung mehr Transparenz beim Einkaufen. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat sich für das Gutachten zumindest schon mal bedankt. Auch sie wolle die Verbraucher befähigen, ihre Entscheidungen selbst zu treffen – man wolle aber keine „Ernährungspolizei“ einsetzen.

Nach meinem Verständnis sorgt die Polizei in erster Linie dafür, dass das Übertreten von Gesetzen geahndet wird. Bessere Informationen für uns, damit wir bewusst das kaufen können, was wir wollen, nachhaltig erzeugte Lebensmittel, zum Beispiel, und damit wir nicht an jeder Ecke Opfer von Etikettenschwindel werden – das hat mit Bevormundung gar nichts zu tun. Nur mit mehr Klarheit. Die Expert*innen haben kluge Erkenntnisse gewonnen. Jetzt ist die Politik dran.