Wenn ich eine Hitliste der meistgenannten Einwände gegen nachhaltiges Einkaufen schreiben müsste, dann wäre dieser hier klar auf der eins: „Klar, dass Sie Biolebensmittel kaufen können, Sie verdienen ja auch gut. Aber mit Hartz 4 ist das nicht zu schaffen!“

Cover: Mein Lebensmittel-Kompass - Goldmann VerlagVor zwei Wochen habe ich das Manuskript meines neuen Buches bei der Lektorin abgeliefert – es geht um nachhaltige Lebensmittel. Im Angesicht der rasant steigenden Lebenshaltungskosten, in Folge des Ukraine-Kriegs, liegt die Versuchung nahe, doch lieber wieder vor allem billig einzukaufen. Ich hätte einen Gegenvorschlag: nachhaltig erzeugte Lebensmittel, regional und saisonal, weniger Fleisch und, vor allem, keine Fertiggerichte.

In meiner Zusammenarbeit mit Fernsehkoch Tim Mälzer haben wir oft Biolebensmittel als positive Beispiele genannt. Und der Vorwurf, dass die ein Luxus für Gutverdiener seien, begleitete uns schon damals. Bis wir für einen unserer ARD-Filme ein Experiment machten: Eine fünfköpfige Familie bekam von uns das damals geltende Hartz 4 Budget für Lebensmittel. Sie durften nur Bio-Ware einkaufen und nichts aus den vorhandenen Vorräten nutzen. Als wir nach einer Woche Kassensturz machten, hatte die Familie sogar noch 7 Euro übrig. Der Weg dahin war relativ einfach und entspricht genau den Spielregeln, die auch für eine klimaschonende Ernährung gelten: kaum verarbeitete Lebensmittel, nur Obst und Gemüse aus der Region, das gerade Saison hatte – und deutlich weniger Fleisch. Besonders in Erinnerung ist mir die Szene geblieben, als die Hausherrin Chili con Carne kochte, unter Anleitung von Tim Mälzer. Der reduzierte als erstes den Fleischanteil: „Ey, ganz ehrlich, ich bin Gastronom. Wenn ich da so viel reinhaue, wie Du, bin ich sofort pleite.“ 80 Gramm Hack statt 200 pro Person, wie die Mutter den Eintopf sonst zubereitet hätte – und es schmeckte allen genauso gut wie sonst.

Bio für alle – das geht!

Nun ist dieses Experiment ein paar Jahre her, jetzt ist in Osteuropa Krieg und alles ist teurer. Deshalb habe ich im Juli 2022 einen aktuellen Testeinkauf gemacht, mit ein paar Mustergerichten, um herauszufinden, ob klimafreundliches Einkaufen wirklich so budgetschädlich ist, wie viele glauben. Auf der einen Seite immer der Preis im Discounter, und, weil diese Produkte nun mal viel gekauft werden, teilweise unter Einsatz von Fertigzutaten oder Gerichten, auf der anderen der Preis für ein selbst gekochtes Gericht aus dem Biosupermarkt.

  • TK Pizza Salami: 1,65 € pro Portion   ///    Pizza Marghertia, selbst gemacht: 1,20 € pro Portion
  • Chili con Carne mit 200g Hack: 2,50 € pro Portion   ///   Chili con Carne mit 80 g Hack: 2,35 pro Portion
  • Spaghetti mit Tomatensauce als Fertigpackung: 0,75 € pro Portion   ///   Spaghetti mit Tomatensauce 0,80 € pro Portion

Zwei Faktoren machen die Sache bezahlbar: weniger Fleisch und selbst kochen. Selbstgemachter Pizzateig lässt sich übrigens wunderbar portionsweise einfrieren und taut sehr schnell auf. In vielen Gerichten lässt sich der Fleischanteil reduzieren oder das Fleisch ganz weglassen, ohne dass das zu Lasten des Geschmacks geht.

Ich war vom Ergebnis meines Testeinkaufs ehrlich gesagt selbst positiv überrascht. Dass meine Bio-Varianten meist sogar billiger sein würden, hatte ich nicht erwartet. Und wir vergleichen hier die sprichwörtlichen Äpfel mit Birnen: Auf meiner selbst gemachten Pizza ist echter Mozzarella, auf der Tiefkühlpizza „Reibekäse“, was auch immer das sein mag. Die Nudel-Fertigpackung arbeitet mit Tomatenmark, in meiner Tomatensauce sind Tomaten…

Bezahlbar Bio mit der Ökokiste

Um meine Recherchen auf noch etwas breitere Füße zu stellen habe ich das Team der „Ökokiste“ um Unterstützung gebeten – das ist der Dachverband vieler Anbieter, die Abokisten mit Ökoprodukten anbieten. Sie haben mir zwei regional-saisonal gepackte Musterkisten zusammengestellt, für den Sommer und den Winter, für jeweils 25 Euro. Gemüse, von dem zwei Personen 7 Tage satt werden.

Das ist in der Winterkiste drin:

  • 650 g Topinambur
  • 500 g Zwiebeln
  • 1 kg Hokkaidokürbis
  • 800 g Rosenkohl
  • 125 g Karotten
  • 1 Schale Kresse
  • 100 g Rucola
  • 250 g Champignons
  • 800 g Rote Bete
  • 100 g Feldsalat

Und das gibt’s zu essen:

  • 2 x Rosenkohlauflauf mit Feldsalat
  • 2 x Topinambursuppe
  • Ofenkürbis mit Feta
  • Rucola-Pasta
  • 2 x Rote Rüben Gulasch

Zu den 25 Euro kommen natürlich noch die Kosten für Nudeln, Mehl u.ä. – aber wir sind hier bei weniger als 2 Euro am Tag pro Hauptmahlzeit. Da ist dann auch noch Luft für gutes Fleisch. Zum Beispiel von der Biokalbinitiative Oberland: Die verkauft bei ihrem nächsten Vermarktungstermin am 24. September Rindfleischpakete von uneingeschränkt glücklichen Demeter-Kühen für 18 Euro pro Kilogramm. Mich hat diese Modellrechnung bestätigt: Auch mit kleinem Geldbeutel kann man nachhaltig erzeugte Lebensmittel kaufen. Es ist nur möglicherweise etwas anspruchsvoller in der Beschaffung, als der Gang zum Discounter um die Ecke.

Essen und die Welt retten

Nochmal zurück zur Anfangsüberlegung: die Inflation schmerzt, alles wird teurer… aber selbst im Angesicht der aktuellen Preissteigerungen sind Lebensmittel bei uns heute viel billiger, als vor 60 Jahren. Für einen Laib Mischbrot, zum Beispiel, arbeitet man heute halb so lange, für ein Pfund Kaffee 20 Minuten statt dreieinhalb Stunden. Und gleichzeitig haben wir doch diesen Sommer eindrucksvoll erlebt, wie die Erderwärmung schon heute unser Leben beeinträchtigt. Wenn wir den Klimawandel aufhalten wollen, müssen wir an unseren Konsumgewohnheiten arbeiten. Wir haben es uns angewöhnt, sehr luxuriös zu essen: Immer nur die kurz bratbaren Teile vom Tier, küchenfertiges Gemüse… Kauft man etwa die Möhren im Bund, erhält man mit dem Möhrengrün die Grundzutat für ein wunderbares Pesto – das müssen dann allerdings wirklich Bio-Möhren sein, nur da kann man sich sicher sein, dass man nicht einen Schwung Pestizide mit-verpestot. Das Gleiche gilt für Radieschen. Kohlrabiblätter passen gut in Blattsalate. Auch die Blätter vom Blumenkohl sind essbar und schmecken geröstet richtig toll. Nose to Tail heißt der neudeutsche Fachausdruck für diese Herangehensweise bei Fleisch, Root to Leaf bei Gemüse. Eine sehr sinnvolle Strategie! Wenn wir unsere Lebensmittel effektiver nutzen, nutzt das unserem Geldbeutel und der Umwelt.

Nächste Woche gibt es an dieser Stelle die Sommer- und Winterrezepte der Ökokiste – und ein neues Angebot für alle, die klimabewusst genießen wollen.