Wenn ich eine Hitliste der meistgefragten Fragen bei Lesungen aufstellen müsste, würde auf Platz 1 ganz klar die Biogurke in der Plastikhülle landen – was da nun besser sei, Bio in Plastik aus Spanien oder die konventionelle, unverpackte Gurke aus der Region
Die richtige Antwort wäre: weder noch. Nun habe ich Corona-bedingt länger nicht mehr vor Publikum lesen können, aber die Frage wäre mittlerweile sowieso gegenstandslos:
Ich habe letzte Woche eine kleine Recherchetour durch vier Supermärkte und Discounter gemacht, und erfreulicherweise gab es da gar keine eingeschweißten Gurken mehr. Möglicherweise hatten auch die Handelsriesen keine Lust mehr auf diese Frage, jedenfalls hat sich hier im Angebot etwas zum Guten verändert..
Die Plastikflut in der Frischeabteilung
Leider ist die Gurke dabei eher die Ausnahme als die Regel. Bei meinem Ausflug an die Frischetheken bin ich auf ein buntes Sammelsurium an Folienverpackungen gestoßen. Und auch die Netze, in denen Zwiebeln oder Kartoffeln gehandelt werden, sind meist aus Kunststoff. Laut der Deutschen Umwelthilfe fielen 2019 an Obst- und Gemüsetheken rund 103.000 Tonnen Plastikabfall an – das sind pro Bundesbürger:in über 3 Gramm Müll am Tag. Bedenkt man, dass die Folien fast nichts wiegen, ist das ein ziemlicher Haufen. Und ein ganz unnötiger Müll: Denn ein großer Teil der umhüllten und verschweißten Produkte wird entweder von der Natur schon wohlverpackt geliefert, in einer robusten Schale, oder wird – etwa Broccoli – vor dem Verzehr ohnehin gekocht, womit auch das Hygiene-Argument entfällt.
Unsere 2 Gramm Plastik am Tag kosten uns zudem bares Geld: Nur rund die Hälfte unserer Plastikabfälle wird recycelt. Seit dem 1. Januar 2021 muss die Bundesregierung für jede Tonne an nicht recyceltem Plastikmüll 800 Euro Strafgebühr an die EU abführen; Laut dem Portal Politico hat sich das 2021 auf stolze 1,3 Milliarden Euro summiert, bezahlt aus unseren Steuergeldern. Zumindest diesen Unsinn will die neue Bundesregierung beenden: Im Koalitionsvertrag wird angekündigt, dass diese Bußgelder künftig auf die Verursacher der Plastikflut umgelegt werden sollen, um so Anreize für weniger Verpackungsmüll und eine höhere Recyclingquote zu schaffen.
Da geht noch mehr!
Diese Maßnahme wäre auf jeden Fall schon mal ein Schritt in die richtige Richtung – Frankreich ist hier allerdings wieder mal weiter: Seit 1. Januar gibt es eine umfangreiche Liste von Obst und Gemüse, das gesetzlich nicht mehr in Plastik verkauft werden darf:
Lauch, Zucchini, Auberginen, Paprika, Gurken, Kartoffeln, Karotten, Tomaten, Zwiebeln, Rüben, Kohl, Blumenkohl, Kürbis, Pastinaken, Radieschen, Wurzelgemüse, Topinambur. Außerdem Äpfel, Birnen, Bananen, Orangen, Clementinen, Kiwis, Mandarinen, Zitronen, Grapefruits, Pflaumen, Melonen, Ananas, Mangos, Passionsfrüchte und Kakis.
Ab Juni 2023 kommen Cocktailtomaten, Frühlingszwiebeln, Rosenkohl, grüne Bohnen, Weintrauben, Pfirsiche, Nektarinen und Aprikosen dazu, bis Juni 2026 werden Plastikverpackungen bei Obst und Gemüse komplett verboten sein.
Nun ist ja immer die Frage, was wir dann stattdessen angeboten bekommen – Papier hat zwar bessere Recyclingquoten und den großen Vorteil, dass es einfach verrottet, wenn es doch mal in der Natur landet. Als Einwegverpackung jedoch ist es eigentlich noch schlechter als Kunststoff, wegen der miserablen Ökobilanz der Papierherstellung.
Besser einkaufen
Mal sehen, ob unsere neue Regierung hier nachzieht – Foodwatch hat gerade eine Unterschriftenaktion dazu gestartet.
Was wir heute schon tun können: So etwas ganz schlicht nicht kaufen. Fast alles an Obst und Gemüse gibts auch lose, mal abgesehen von besonders empfindlichen Beeren, wobei die Pappschalen, in denen etwa heimische Himbeeren lagern, zumindest aus recyceltem Papier stammen. Ich habe mittlerweile immer Mehrwegbeutel im Einkaufskorb, die gibt’s inzwischen praktisch überall. Wer es besonders gut machen möchte: Die Firma Rebeutel recycelt dafür schon vorhandene Gardinenstoffe und lässt die Säckchen in sozialen Einrichtungen nähen.
Mehr Produkte lose anzubieten hätte übrigens noch einen Nebeneffekt in punkto Nachhaltigkeit: So können wir genau die Menge einkaufen, die wir tatsächlich benötigen. Ein guter Schritt in Richtung weniger Lebensmittelverschwendung. Ich bin immer ein großer Fan davon, Läden zu belohnen, die sich ökologisch sinnvoll verhalten. Und mit unserer Art einzukaufen signalisieren wir dem Handel, was wir wollen. Drum gibts auch ohne Verbot schon heute keine Plastikgurken mehr…