Woran erkennt man das Ende des bewirtschafteten Strandbereichs? Am Plastikmüll! Dort, wo kein Liegestuhlvermieter täglich aufräumt, finden sich die praktisch nicht verottbaren Hinterlassenschaften unserer so genannten Zivilisation. Zum Beispiel an einem paradiesisch schönen apulischen Strand, östlich von Lecce. Malerische Dünen, ein azurblaues Meer, weiße Schaumkronen… und jede Menge angeschwemmter Plastikmüll.

Hundert Meter weiter: Der Kitesurf-Lehrer gleitet durchs Wasser und springt… auf einen Autoreifen. Auch der treibt im seichten Wasser und wird vom Kitesurfer dankenswerterweise zumindest mal ans Ufer befördert. Mich macht der Strandspaziergang nachdenklich. Natürlich ist mir das Müllproblem bewusst. Aber es so offensichtlich vor die Nase gespült zu bekommen, ist eindrucksvoll. Und ich muss mich an eine Szene erinnern, in einem Sizilienurlaub vor über 10 Jahre, die meine Kinder damals nachhaltig verstörte: zwei Teenager leeren ihre Limoflaschen, werfen sie über die Schulter, und gehen weiter. Doch was hier am Strand von Frigole anlandet, beschränkt sich nicht auf die Hinterlassenschaften von ein paar Urlaubern. Hier findet sich die gesamte Palette von Verpackungsmüll.

Der WWF schätzt, dass jedes Jahr bis zu 12,7 Millionen Tonnen Plastik in die Meere gelangen und dort zehntausende Tiere das Leben kosten. Bis zur völligen Zersetzung können über tausend Jahre vergehen. Bis dahin zerfällt es lediglich in immer kleinere Partikel – das so genannte Mikroplastik. Wer barfuß einen Strand entlanggeht, hat außer Sandkörnern meist auch viele feine Mikroplastikpartikel unter den Füßen. Im Meer sind gerade diese  Partikel ein großes Problem, weil sie von den Meerestieren für Nahrung gehalten werden. Die Experten des WWF warnen:

Mikroplastikpartikel gelangen problemlos in die Körper von Meerestieren und können durch deren Verzehr auch in den menschlichen Organismus aufgenommen werden. Welche Auswirkungen das haben kann, ist noch nicht erforscht. Doch eines ist sicher: Plastik enthält oft auch Zusatzstoffe wie Weichmacher und Flammschutzmittel, die den Meeresbewohnern schaden und durch die Nahrungskette auch den Menschen erreichen können.

Es ist auf jeden Fall immer eine gute Idee, Hersteller zu belohnen, die ihre Verpackungen möglichst weitgehend aus recycelten Materialien herstellen. Allerdings gibt es in diesem Bereich viel Etikettenschwindel, seit die Industrie unser Umweltbewusstsein als Marketingargument entdeckt hat. So hatte der Weltkonzern Procter&Gamble lange Zeit damit geworben, dass die Verpackung eines seiner Geschirrspülmittel „mit Ocean Plastic“ hergestellt sei. Das klingt nach dem Plastikmüll aus dem Walfischbauch und löst in mir sofort ein wohliges Gutmenschengefühl aus. Hätte nicht der Hersteller der Frosch-Haushaltsartikel dagegen geklagt und vor dem Landgericht Stuttgart im Januar 2019 recht bekommen. Der nämlich verwendet für seine Verpackungen vorwiegend Plastik aus dem Hausmüll, um unseren Müllberg vor Ort zu verkleinern und fand, dass es sich beim „Ocean Plastic“ im Gegensatz dazu um Irreführung des Verbrauchers handle. Denn in Wirklichkeit stammt der Kunststoff nicht aus dem Meer, sondern vom Ufer, und auch wie weit vpn der Küstenlinie dieses „Ufer“ entfernt sein darf, ist nicht geregelt. Der US-Konzern SC Johnson, der beispielsweise Autan herstellt, hat für sich definiert, dass sein „Ocean“ bis 50 Kilometer weit ins Landesinnere reicht. Nun ist jedes Recycling ja irgendwie ganz gut, aber etwas an der Nase herumgeführt führe ich mich da als Verbraucherin doch.

Leider kein Einzelfall: „Diese Flasche war einmal Plastikabfall am Strand“, warb der Konzern Procter & Gamble eine Zeit lang für eine Sonderedition seiner Shampoomarke „Head and Shoulders“, bis das Landgericht Frankfurt diese Werbung im Februar 2018 untersagt hat. Tatsächlich bestand die Verpackung nur zu 20 Prozent aus Kunststoffabfällen vom Strand, die Verschlusskappe nicht mitgerechnet.

Auch Adidas hat vermüllte Meere als Thema entdeckt und hat einen Turnschuh aus sogenanntem Ocean Plastic im Sortiment. Das Obermaterial soll zu 85 Prozent aus Plastik vom Strand bestehen – aus 11 Plastikflaschen wird 1 Paar Turnschuhe. Immerhin eine Million Schuhe hat der Sportartikelhersteller nach eigenen Angaben 2017 aus dieser Linie verkauft. Ein Schritt in die richtige Richtung – aber die Lösung?

Wo Plastikvermeidung wirklich wichtig ist: im Urlaub in exotischen Gefilden. Überall auf der Welt, wo es keine ordentlichen Verwertungszyklus gibt, wandert unser Plastikmüll mit hoher Wahrscheinlichkeit mittelfristig an den Strand oder in den Walfischbauch. Und immer mehr Menschen nehmen die Dinge dankenswerterweise einfach selbst in die Hand: Meine Freundin Bettina, zum Beispiel. Schon im Sommer 2017 gehörte das Aufsammeln von Plastik am Strand zu ihrer Urlaubsspaziergangsroutine. Auch jetzt gerade wieder gibt es auf dem Instagram Account ihres Online-Shops „Der karierte Hund“ (der übrigens viele sehr nachhaltige Produkte bereithält, zum Beispiel kompostierbare Putztücher) ein Gewinnspiel für Strandmüllsammler.

Das BUND Meeresschutzbüro in Bremen bietet im Netz ein regelrechtes Gesamtkonzept für Strandsäuberer, mit Anleitung für besonders sinnvolles Plastikmüll-Sammeln, einschließlich Erfassungsbogen. Der NABU ruft am 19. September schon zum 30. Mal zum Costal Clean Up Day auf. Und ich werde zumindest bei meinem nächsten Strandbesuch eine Mülltüte dabeihaben und das aufsammeln, was mir vor die Füße weht. Kleinvieh macht auch Mist!