Aldi schafft, woran mehrere Bundeslandwirtschaftsminister:innen gescheitert sind: kein Fleisch mehr aus unzumutbaren Haltungsformen im Supermarkt… klingt toll, stimmt aber nur so halb

Anfang der Woche haben Aldi Nord und Aldi Süd angekündigt, bis 2030 ihr Frischfleisch-Sortiment auf die höheren Tierwohl-Haltungsformen Stufe 3 und 4 umzustellen. Jetzt ziehen die anderen drei Großen auf dem deutschen Markt nach: Die Rewe Group (Rewe, Penny) will auch bis 2030 im Eigenmarken-Frischfleischsortiment nur noch die Stufen 3 und 4 anbieten. Edeka (Edeka, Netto Marken-Discount) will kurzfristig auf Frischfleisch der Haltungsform Stufe 1 und längerfristig auch auf Frischfleisch der Stufe 2 verzichten. Gestern kündigte dann auch noch die Schwarz-Gruppe an, bei Kaufland ab sofort kein frisches Schweinefleisch der Stufe 1 mehr zu verkaufen; Lidl wird bis Ende des Jahres folgen.

Die Entdeckung von Tierwohl als Verkaufsargument

Plötzlich überall nur noch Tierfreunde? Die Entdeckung von Ethik als Motiv für unternehmerisches Handeln? Sicher nicht. Eher die gut vermarktete Reaktion auf Entwicklungen, die unsere bisherigen Umgang mit der Ware Tier ohnehin verändern werden. Vorgestern hat die EU-Kommission eine Gesetzesinitiative gestartet, die bis 2027 die Käfighaltung von Nutztieren komplett unterbinden soll. Einen Tag zuvor hat die deutsche Zukunftskommission Landwirtschaft ihren Abschlussbericht präsentiert, indem sich die 31 Mitglieder aus den Bereichen Landwirtschaft, Wirtschaft und Verbraucher, Umwelt und Tierschutz, sowie aus der Wissenschaft einig waren, dass eine deutliche Verbesserung der Haltungsbedingungen nicht nur ethisch geboten ist, sondern auch unter dem Aspekt Nachhaltigkeit unerlässlich.

Grundsätzlich freut mich der Schritt der Handelsketten. Haltungsstufe 3 der der Initiative Tierwohl ist nicht gut, aber doch zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Wie immer muss man jedoch genau hinschauen: Das „Frischfleischversprechen“ gilt nämlich weder für Tiefkühlware, noch für Wurst oder den Bereich der verarbeiteten Lebensmittel. Es reicht also im Grunde schon, den Schweinenacken zu marinieren, und er darf wieder aus einem der engen Stufe 1-Ställe stammen. Und bei den „Ausnahmen“ reden wir von ziemlich viel Fleisch: 2020 haben wir pro Kopf etwa 57 Kilogramm Fleisch im Jahr gegessen, mehr als die Hälfte davon in Form von Wurstwaren. Streng genommen müssten die Schlagzeilen also heißen: „Die Handelsketten schaffen mehr Tierwohl für rund ein Drittel ihrer Ware“.

Die aktuellen Schlagzeilen: klassisches Greenwashing. Die Initiative ist eine echte Mogelpackung.

Das Versagen der Politik

Noch mehr jedoch ärgert mich, dass es nicht längst gesetzliche Vorgaben gibt, die solchen PR-Moves den Boden entziehen. Schon 2012, unter der vorvorletzten Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner war das Thema zum ersten Mal auf der Agenda. Dann weiter unter ihren Amtsnachfolgern Hans-Peter Friedrich und Christian Schmidt. Im aktuellen Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD eigentlich auf die Einführung eines staatlichen Tierwohllabels geeinigt, zunächst für Schweine. Julia Klöckner war damit schon die vierte Bundeslandwirtschaftsministerin, die ein staatliches Label in Arbeit hatte. Und ist krachend damit gescheitert – der SPD gingen die Regeln nicht weit genug, geplant war ohnehin immer nur eine freiwillige Teilnahme, schließlich kritisierte der Bundesrechnungshof irre Kosten für kaum Nutzen.

Und nun also Aldi… der PR-Coup ist auf jeden Fall geglückt. Und ein paar Tiere weniger werden künftig wohl unter den miserablen gesetzlichen Mindestanforderungen zu leiden haben. Das ist ein Anfang. Aber noch lange nicht die Lösung. Ein Job für Minister:in Nr. 5, nach der nächsten Wahl!