Seit Corona fahre ich noch mehr Fahrrad, als früher, selbst bei Sturm und Schnee, weil es mir in der U-Bahn zu voll ist. Wer weiter fahren muss, nutzt jetzt oft häufiger das Auto, statt den öffentlichen Nahverkehr. Das ist nicht nur corona-vermeidend, sondern leider auch ökonomisch klug…

Am Frühstückstisch träumen meine Kinder und ich von Osterreisen. Keine Ahnung, ob wir da tatsächlich irgendwo hinkommen, aber man kann ja zumindest mal googeln und ein bisschen Vorfreude kultivieren… Die gute Laune vergeht mir schnell: 9 Euro würde der Heimflug für meinen Sohn von Mailand zu seinem Studienort Wien kosten, zugegebenermaßen völlig ohne Gepäck. Aber doch unanständig billig, bedenkt man den CO2-Abdruck dieser Reise. Die Fahrt zum Münchner Flughafen mit der S-Bahn wäre jedenfalls teurer.

S-Bahn fahren als Luxus?

Angeregt durch dieses schräge Verhältnis beginne ich zu recherchieren und stoße auf eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft, im Auftrag der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Demnach ist der Preisindex in der öffentlichen Personenbeförderung seit 1991 rasant angestiegen, vom Basiswert 100 auf 260 im Jahr 2016 – im Klartext: ökologisch korrekt durch die Stadt fahren kostet nach 25 Jahren mehr als das zweieinhalbfache. Der Kraftfahrerpreisindex ist im gleichen Zeitraum nur auf 170 geklettert und liegt damit im Rahmen der allgemeinen Preissteigerung. Der Preisindex für Kraftstoffe ist seit 2011 sogar steil abgefallen.

In einer Zeit, wo das Thema Nachhaltigkeit heftig diskutiert wird, wo wir über die Pariser Klimaziele sprechen und darüber, wie wir es schaffen, unsere Emissionen in den Griff zu bekommen, bestraft die Preisentwicklung also bizarrerweise ausgerechnet diejenigen, die dazu aktiv einen Beitrag leisten, indem sie U-Bahn fahren statt Auto. Dieser Wahnsinn setzt sich weiter fort. Spiegel Online hat kürzlich eine Auswertung des Statistischen Bundesamtes zitiert: Danach zahlten Fahrgäste im Bahn-Nahverkehr im vergangenen Jahr im Schnitt 16 Prozent mehr als 2015. Autofahren wurde dagegen nur um vier Prozent teurer. Sieht so eine vernünftige, zukunftsgerichtete Klimapolitik aus?

Bazooka gegen den Klimawandel

Im Wissenschaftsmagazin Science hat ein Forscherteam um Marina Andrijevic von der Humboldt-Universität Berlin gerade zusammengetragen, dass ein Bruchteil der weltweit bereitgestellten Gelder, mit denen die Folgen der Corona-Krise abgefedert werden sollen, ausreichen würden, um die CO2-Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.

Vielleicht wäre es Zeit, kreativ darüber nachzudenken, wie genau wir das machen wollen. Womöglich könnte man die Pariser Ziele bei der Wiederbelebung unserer Wirtschaft ja gleich mitdenken, als Investition in zukunftssichere Wirtschaftszweige. Und vielleicht wäre ein erster sinnvoller Schritt für die Zeit nach der Pandemie, die Preise für klimafreundliche Verkehrsmittel drastisch zu senken. Und gleichzeitig Autofahren mindestens um die Faktoren zu verteuern, die im Moment nicht eingepreist sind: die Kosten von Unfällen, zum Beispiel. Der Flächenverbrauch in den Städten. Die Umweltschäden.

Autofahren ist oft bequemer. Aber dann sollte es nicht auch noch unverhältnismäßig billiger sein.