Hartnäckig hält sich die Legende, wir Deutschen seien die Recycling-Weltmeister. Dabei wird bei uns immer noch viel Müll einfach verbrannt, selbst der, den wir vorher liebevoll getrennt haben. In den nächsten Wochen werde ich mich hier mit dem Thema Müll beschäftigen: Wo lohnt sich das Müll trennen? Welche Plastikalternativen sind sinnvoll? Und schafft es Manufactum mittlerweile, seinen Kaffee in Mehrwegbechern zu verkaufen? Kleiner Scherz… (siehe dieser Artikel)
Ende der 80er Jahre legte mein Großvater sich ein neues Hobby zu: Mit 76 Jahren wurde er zum leidenschaftlichen Mülltrenner. Dabei war er bis dahin nie mit besonderen Sympathien für grüne Ideen aufgefallen. Im Gegenteil: Als langjähriger Mitarbeiter der Farbwerke Höchst pflegte er ein höchst unbekümmertes Verhältnis etwa zu Pflanzenschutzmitteln, und wenn es nach Zwischenfällen im Werk in seiner nahegelegenen Heimatgemeinde gelb oder orange regnete, dann brummte er höchstens, dass es früher einmal die Woche bunt geregnet habe, und das habe schließlich auch niemandem geschadet.
Die Anfänge des Mülltrennens
Doch nachdem in Hessen seit 1985 zum ersten Mal in Deutschland die Grünen mitregierten, änderte sich das politische Klima, und im Zuge dessen auch die Müllsatzung der Gemeinde Kriftel am Taunus: Wer besonders wenig Restmüll verursachte und seine Tonne deshalb seltener leeren ließ, weil er einen Großteil der Abfälle anderweitig recycelte, bekam am Ende des Jahres einen Teil der Müllgebühren zurück. Damit wurde Restmüllreduktion für meinen Großvater zur Aufgabe…
Wegen eines Praktikums in Frankfurt verbrachte ich zu dieser Zeit einige Wochen bei meinen Großeltern. Schon beim Zubereiten des Frühstücks musste ich immer damit rechnen, dass mein Großvater plötzlich hinter mir auftauchte, um zu verhindern, dass ich womöglich einen Joghurtbecher in den Restmülleimer warf. Familienmitglieder alleine in der Küche waren ihm suspekt – bestand doch stets das Risiko, dass irgendein Wertstoff unsachgemäß entsorgt werden könnte. Weil meine Großmutter sich standhaft weigerte, sich die komplexen Regeln des Recyclings anzueignen, bürgerte es sich ein, dass Müll während des Kochens in Plastikschüsseln zwischengelagert wurde. Nach dem Essen stand dann mein Großvater in der Küche und sortierte Aludeckel, Verbundkartons und Kompostierbares in verschiedene Tüten. Er schaffte es mehrere Jahre lang, die höchstmögliche Rückzahlung der Müllgebühren zu erreichen und war tiefbetrübt, als die Gemeinde ihr System irgendwann wieder änderte.
Irgendwie fand ich meinen Opa damals ziemlich cool. Und gleichzeitig stellte ich mir zum ersten Mal die Frage, was die Mülltrennerei wirklich bringt. Wurde all das wirklich sinnvoll wiederverwertet? Oder landete der liebevoll auseinandersortierte Müll getrennt transportiert am Ende doch wieder auf der gleichen Deponie?
Müllrichtlinien heute
Schon seit 2008 sind die Spielregeln in der EU eindeutig. Seitdem gibt es Richtlinien, die eine klare „Abfallhierarchie“ vorgeben:
- Prävention;
- Vorbereitung zur Wiederverwendung;
- Recycling;
- sonstige Verwertung (z. B. energetische Verwertung) und
- Entsorgung
Soweit die Theorie. In der Praxis arbeiten Lobby-Gruppen hochengagiert daran, diese an sich total vernünftige Regel zu unterlaufen. Die Verpackungsindustrie fürchtet um ihr Geschäft, Hersteller fürchten höhere Kosten. Das Gute an diesem Ranking aus meiner Sicht ist aber auch, dass es uns Verbraucher:innen eine wunderbare Handlungsanweisung gibt: Kein Abfall ist immer am besten, also möglichst viel unverpackt kaufen. Dinge, die wir nicht mehr brauchen oder wollen, findet jemand anderes vielleicht super. Und mit unseren Konsumentscheidungen können wir Firmen belohnen, die sich um recyclingsfähige, materialsparende Verpackungen bemühen.
Letztlich produziert die Industrie die Dinge, die wir kaufen. Und was wir nicht kaufen, verschwindet aus dem Handel.
Oft ist es allerdings gar nicht so einfach herauszufinden, wo Recycling sinnvoll ist, und wo es gar keine Wertstoffkreisläufe gibt. Nächste Woche werde ich hier versuchen, das Mysterium gelber Sack etwas zu klären.
Ja, liebe Frau Schickling,
Müll zum Recyclen ist so ein Reizthema für mich:
Was gab’s schon alles an TV-Dokumentationen, die nachwiesen, was mit dem Recycling-Müll tatsächlich geschieht!
Ändert die Politik daran etwas? Mitnichten!!!
Und wenn dann wieder eine schön gefärbte Einladung zum Trennen z.B. von der Kommune kommt, dann bekommt diese regelmäßig böse Briefe von mir. Aber auch da ändert sich nichts!
Deshalb gilt für mich seitdem: Recycling-Müll ist Restmüll! So bekommt wenigstens die jetzt so wichtig gewordene Fernwärme neue Nahrung!
Ich kann Ihren Groll gut nachvollziehen. Deshalb kümmere ich mich ja nochmal um dieses Thema. Denn es gibt Wertstoffe, wo die Wertstoffzyklen gut funktionieren – Papier, Glas, Biomüll, Aluminium. Und es gibt Plastikarten, die richtig gut verwertbar sind. Und die besser verwertbar sind, wenn nicht noch ganz viel Krempel dazwischen den gelben Sack zumüllt, der da erst mphsam rausgefischt werden muss.
Und natürlich könnte die Politik mehr tun…