Wir sind im Krisenmodus. Es ist Krieg. Die Energiekosten explodieren. Und dann der Klimawandel. Die Lebensmittelpreise sind im Oktober um 20 % gestiegen, im Vergleich zum Vorjahresmonat. Echt heftig – aber möglicherweise gar nicht so zwangsläufig, wie uns der Handel das gerade verkaufen möchte…

Kürzlich habe ich mit einer Biobäuerin gesprochen, die Muttersauen hält und Ferkel erzeugt. Die Landwirtin war verwundert:

„Durch die Ukrainekrise sind die Kosten für konventionelle Schweinehalter massiv gestiegen; deren Fleisch kostet im Supermarkt jetzt deutlich mehr. Unsere Preise sind gar nicht gestiegen, aber trotzdem kostet unser Bio-Fleisch jetzt plötzlich auch mehr.“

Die Bäuerin war verärgert – das wäre doch jetzt eine Chance gewesen, mehr Biofleisch zu verkaufen. Ich kann Ihnen nicht sagen, warum der Handel in diesem Fall so entschieden hat – möglicherweise aus der Ahnung heraus, dass Biokunden ohnehin bereit sind, mehr Geld ausgeben? Möglicherweise dann auch in Zeiten der Inflation? Da wäre es womöglich schade, diese Bereitschaft nicht auszunutzen?

Wer verdient an unserem Essen?

Im Supermarkt stoße ich auf bemerkenswerte Preissprünge: Sonnenblumenöl der Nestlé-Tochter Thomy etwa kostete vor einem Jahr noch 2,29 € pro Flasche, jetzt 3,99 €. Sonnenblumenöl, da war doch was mit Ukraine? Auf diese Assoziation scheint Nestlé zu hoffen. Tatsache ist jedoch, dass der Preis für das Öl auf dem Weltmarkt sogar etwas niedriger liegt, als im Oktober 2021, als der Krieg noch in weiter Ferne lag.

Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg hat ein weiteres Beispiel parat:

„Im Frühsommer ist der Preis für Konfitüre von Mövenpick bei Rewe plötzlich von 2,49 € auf 2,99 € erhöht worden. Zu dieser Zeit gab es noch keine neue Ernte, Früchte und das Glas müssen 2021 produziert worden sein. Es ist also nicht nachvollziehbar, warum die Konfitüre plötzlich 20 Prozent mehr kostet.“

20 Prozent Aufschlag, weil es der Markt hergibt? Kann das wirklich sein? Ich bin ja nun wirklich niemand, der sich für billige Lebensmittel einsetzt. Aber was in deutschen Supermärkten und Discountern gerade passiert, hat wenig zu tun mit faireren Preisen für Erzeuger:innen oder für mehr Tierwohl. Armin Valet sieht ganz klare „Mitnahmeeffekte“:

„Handel und Industrie schwimmen auf der Inflationswelle mit und nutzen die Gelegenheit, ihren Schnitt zu machen. Aldi, zum Beispiel, hat im Sommer den Preis für Bio-Milch um 50 Cent erhöht, obwohl die Bauern im gleichen Zeitraum nur 10 Cent mehr bekommen haben.“

Hinzu kommt, dass Großkunden gerade bei Energie meist langfristige Verträge mit Energieanbietern haben. Die höheren Kosten für Strom und Gas können nach menschlichem Ermessen noch gar nicht so massiv auf die Herstellungskosten durchgeschlagen haben.

Preisgestaltung: Ein Buch mit sieben Siegeln

Milch ist eines der wenigen Lebensmittel, wo sich relativ leicht herausfinden lässt, wo wer verdient. Zumindest die Preise, die die Landwirt:innen erhalten, sind relativ transparent. Bei den meisten anderen Produkten ist das viel schwieriger. Bei veganen Fleischalternativen, zum Beispiel, sind die Zutaten oft sehr billig zu haben und korrespondieren nicht so richtig mit dem Verkaufspreis. Bei dieser Produktgruppe könnte man noch mit hohen Entwicklungskosten argumentieren. Aber bei den Bio-Kräutern in Essig und Wasser, die Aldi kürzlich verkauft hat, musste ja nicht viel entwickelt werden, nur gemischt. Verkaufspreis: 1,99 € für 40 ml – das wäre dann ein Literpreis von stolzen 50 Euro… Verbraucherschützer Armin Valet kann das erklären:

„Bei vielen Produkten ist der Ladenpreis entkoppelt von den Herstellungskosten. Unternehmen nutzen Big Data, um herauszufinden, was die Verbraucher bereit sind zu bezahlen. Es lässt sich nicht nachweisen, wer an welchem Produkt was verdient. aber wir sehen klar, dass der Handel etwas mitnimmt.“

Besser einkaufen in Zeiten der Inflation

Ich habe schon im September hier darüber geschrieben, wie man zu bezahlbaren Lebensmitteln kommt, die gleichzeitig fair, tiergerecht und nachhaltig sind. Wir können etwas verändern, wenn wir unseren Geldbeutel als Wahlzettel nutzen und dieses perfide Spiel nicht mitspielen. Ich möchte nicht die großen Handelskonzerne unterstützen, oder Lebensmittelmultis wie Nestlé oder Unilever. Ich will, dass von meinem Geld, das ich für Lebensmittel ausgebe, möglichst viel bei denen landet, die meine Lebensmittel erzeugen.

Im Grunde gilt immer das Gleiche: Kaufen Sie nur dort ein, wo Ihnen jemand hinterm Tresen etwas zu den Herstellungsbedingungen Ihrer Lebensmittel erzählen kann. Vermeiden Sie Zwischenstationen, wo immer es geht, und kaufen Sie möglichst direkt bei Erzeugern ein. Ein besonders vorbildliches Projekt aus diesem Bereich stelle ich hier nächste Woche vor: Orangen, mit denen sich auch noch unsinnige EU-Handelsnormen aushebeln lassen.