Auch ohne exzessive Faschingssaison ist die Fastenzeit für viele Anlass zum Verzicht. Besonders beliebt ist in meinem Umfeld mittlerweile das Zuckerfasten. Und viele weichen aus auf Alternativen wie Kokosblütenzucker, Honig oder Agavendicksaft. Ein guter Anlass, die Süßmacher auf ihren Nachhaltigkeitsfaktor zu überprüfen.

Die schlechte Nachricht gleich vorneweg: „gesunde“ oder „gesündere“ Süße gibt es nicht. Das, was uns an Nahrung vorrangig krank machen kann, ist extremes Übergewicht und damit die Kalorienmenge, die wir uns draufessen. Und die ist bei den meisten Süßmitteln etwa gleich. Auch die Hoffnung, dass Zuckeralternativen sich positiver auf den Insulinspiegel auswirken und dadurch Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Altersdiabetes verhindern (der viel beschworene Glyx-Index) steht wissenschaftlich auf sehr windigen Füßen: Selbst die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, die mir in ihren Empfehlungen, was angeblich gesund und ungesund ist, oft viel zu weit geht, weil sie vage wissenschaftliche Erkenntnisse als Evidenz ausgibt, ist bei der Einordnung des glykämischen Index extrem zurückhaltend. Denn die Studienlage ist keineswegs so, dass ein niedriger glykämischer Index positive gesundheitliche Folgen hat.

Dafür aber unterscheiden sich die unterschiedlichen Süßmethoden in Sachen Nachhaltigkeit massiv.

Haushaltszucker

… besteht aus Sacharose, und die wiederum setzt sich aus den Grundbauteilen Glucose und Fructose zusammen. Das weiß-körnige Grundnahrungsmittel firmiert unter Gesundheitsbewussten mittlerweile oft als „raffinierter“ Zucker. Damit ist der Prozess gemeint, bei dem der Rohzucker von Verunreinigungen befreit wird. Dabei gehen auch geringfügig Vitamine und Mineralien verloren.

Bei uns besteht Haushaltszucker in aller Regel entweder aus heimischem Rübenzucker oder aus Rohrzucker aus tropischen Breiten. Forscher der ETH Zürich haben in einer Studie Schweizer Rübenzucker mit Rohzucker aus Brasilien verglichen. Wenig überraschend war die Ökobilanz beim Rübenzucker viel besser – angefangen vom Transport über die Regenwaldrodung in den Tropen bis hin zu den Arbeitsbedingungen auf südamerikanischen Plantagen – was zwar beim Umweltthema keine Rolle spielt, aber vor dem Hintergrund der Diskussion ums Lieferkettengesetz meines Erachtens unbedingt bedenkenswert ist.

Fast immer ist Haushaltszucker in Papier verpackt – das kann gut recycelt werden, ein Plus.

Brauner Zucker und Rohzucker

… ist nicht zwangsläufig das Gleiche. Weil, übrigens ähnlich wie bei Eiern, die braune Farbe bei der Kundschaft einen Natürlichkeitsreflex auslöst, wird manchmal auch raffinierter Zucker schlicht mit Sirup gefärbt, und als „brauner Zucker“ verkauft. Der braune Süßkram kann aber auch nicht raffiniert (Vollrohrzucker, auch Muscovado) oder nicht komplett (Rohrohrzucker) raffiniert sein und daher noch einige Mineralien und Aromastoffe enthalten. Auch dieser Zucker ist dunkler, als unser Haushaltszucker. Allerdings nicht unbedingt gesünder, weil die Menge, die man essen müsste, um auch nur annähernd von den Vitaminen und Mineralien zu profitieren, so immens hoch wäre, dass das dann wieder ein erhebliches Gesundheitsproblem wäre.

Für Rohzucker aus Zuckerrohr gilt der gleiche Nachteil wie beim raffinierten Produkt: lange Reisewege, problematischer Anbau, schwierige Arbeitsbedingungen. Rübenrohzucker gibt es kaum, weil der etwas bitter schmeckt. Weil Rohzucker empfindlicher auf Feuchtigkeit reagiert, als das raffinierte Produkt, steht er meist in Platik gehüllt im Supermarkt. Diese Folien werden aktuell selbst dann nicht recycelt, wenn sie in der Wertstoffsammlung landen, sondern in aller Regel aussortiert und verbrannt, weil die Verwertung zu kompliziert ist. Ein klarer Nachteil in Sachen Nachhaltigkeit.

So oder so ist Bio-Zucker aus fairem Anbau in allen diesen Varianten die nachhaltigere Wahl!

 

Kokosblütenzucker

Der Liebling der Food-Blogger und Superfood-Propagandisten. Von der Kalorienmenge und der Zusammensetzung her unterscheidet sich die Trendsüße kaum vom „bösen“ Haushaltszucker. Die enthaltenen Vitamine und Mineralstoffe – nun ja, auch hier schaffen wir wieder niemals die Mengen zu essen, damit das relevant würde. Bleibt das Thema, dass Kokosblütenzucker vermeintlich Heißhungerattacken verhindert, weil er den Insuklinspiegel weniger schnell ansteigen ließe – die Studienlage dazu ist, wie oben schon erwähnt, äußerst dünn.

Dafür stammt aber auch dieser Zucker aus den Tropen. Die Blüten der Kokospalme werden aufgeschnitten, der herausfließende Nektar aufgefangen. Eine Palme kann am Tag bis zu zwei Liter Nektar abgeben – das reicht für eine 500-Gramm-Packung Kokosblütenzucker. Der Nektar wird eingekocht, bis eine bröselige Masse entsteht. Diese wird getrocknet und verpackt. Fast der gesamte Kokosblütenzucker in Deutschland stammt aus Südostasien. Vor allem in Thailand und Indonesien wird der Nektar aus den Kokospalmen gesammelt und zu Zucker weiterverarbeitet – der lange Transportweg belastet die Umwelt. Und auch Kokosblütenzucker klumpt schnell und wohnt daher meist in Plastikfolien.

Agavendicksaft

Noch so ein Foodie-Favorit… Oft ist das, was irgendwie natürlich, irgendwie besonders und irgendwie ursprünglich klingt, viel weniger hochwertig, als uns seine Vermarkter glauben machen wollen. Das Bild, wie der Ur-Mexikaner, vor gleißender Sonne geschützt durch einen Sombrero, seine traditionelle Süße aus Agavenblättern zapft, ist zwar schön – es hat aber leider wenig mit der Realität zu tun. Tatsächlich ist Agavendicksaft meist ein hoch prozessiertes Industrieprodukt. Denn die traditionelle Methode, den süßen Saft zu gewinnen, ist teuer und langwierig. Dabei wird der innere Kern der Agave entfernt. In dem so entstandenen Loch sammelt sich langsam der leicht verderbliche Saft. Diesen muss man filtern, erhitzen und eindicken, um ihn haltbar zu machen.

In der Gegenwart – und erst recht, seit Agavendicksaft zur weltweit erfolgreichen Zuckeralternative hochgejubelt
wurde – kann man die Süße aus den Agavenwurzeln auch mithilfe von Fluorwasserstoff und Schwefelsäure extrahie
ren. Das erspart die Wartezeit und ermöglicht die industrielle Produktion des gewinnträchtigen Sirups. Auch der Agavendicksaft reist weit – schlecht für die Ökobilanz. Die Agavenplantagen sind meist Monokulturen, die Gewinnung der Süße ist sehr energieintensiv. Dafür sind die Plastikflaschen meist ganz gut verwertbar, vorausgesetzt sie landen in der Wertstoffsammlung. Und, noch besser, Sie haben Deckel und Flasche getrennt entsorgt.

Agavendicksaft ist übrigens keineswegs gesünder, als Zucker, eher das Gegenteil: er hat einen hohen Anteil an Fructose. Nach Angaben der Gruppe Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale NRW in Düsseldorf liegt er bei etwa 80 Prozent. Der hohe Fructoseanteil kann zu Problemen führen:

„Fructose fördert die Entstehung des metabolischen Systems, also das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, so die Ernährungswissenschaftler: „Dazu zählen Fettleibigkeit, Bluthochdruck, Insulinresistenz, also Diabetes Typ 2, sowie erhöhte Blutfette.“

Honig

… enthält ebenfalls viel Fructose und ähnlich viele Kalorien wie Haushaltszucker. Dafür kann Honig ein wirklich nachhaltiges Produkt sein, wenn er aus Ihrer Nachbarschaft stammt und der Imker Ihres Vertrauens womöglich sogar noch mit Pfandgläsern arbeitet. Auch hier ist die Frage des Transportwegs entscheidend – ein sortenreiner Schwarzwaldhonig ist in Süddeutschland ein wunderbares Produkt, ein Honig aus „Eu- und Nicht-EU-Ländern“ eher nicht.

In meinem Küchenschrank gibt es – außer Agavendicksaft – alle diese Produkte. Weil ich etwa Kokosblütenzucker manchmal gerne als Würze nutze. Aber im Grunde gilt das, was immer gilt: Lebensmittel von weit her sollten Delikatessen sein, die wir uns gelegentlich gönnen. Im Alltag ist der Griff zu Produkten aus der Region immer die bessere Idee!