Vor drei Wochen ging es hier um den nicht vorhandenen Schnee in Bayern. Mittlerweile laufen die Lifte wieder, in den Alpen ist richtig Winter. Und mich beschäftigt die Frage, wie man da, wo noch ausreichend Schnee fällt, Dinge besser machen kann. Was tut etwa ein Skiort wie Lech dafür, dass der Skibetrieb möglichst klimafreundlich ausfällt?
Gleich vorneweg: Ja, ich fahre gerne Ski. Und mir würde viel Glück fehlen, wenn ich komplett auf meinen liebsten Sport verzichten müsste. Mit mir geht es vielen so – mehr als 14 Millionen Deutsche fahren zumindest gelegentlich Ski oder Snowboard. Also möchte ich gerne herausfinden, an welchen Stellschrauben Skiorte drehen. Und welche Faktoren ich beeinflussen kann. Der Arlberg ist mein Winter-Sehnsuchtsort – also lag für mich der Ansatz nahe, mich dort genauer umzuschauen.
Ich beginne meine Recherchen in meiner Unterkunft: Das Hotel Edelweiss in Zürs am Arlberg ist ein Haus mit langer Tradition. 1854 übernachteten dort zum ersten Mal Gäste. Das Dörfchen Zürs ist Teil der Gemeinde Lech – damals kaum mehr als eine Alm mit Poststation. Heute gehört Zürs zum Arlberg-Skigebiet, dem größten zusammenhängenden Skigebiet Österreichs.
Ein altes Haus, das ist unter Nachhaltigkeitsaspekten schon mal gut – die Herstellung von Zement ist für fast acht Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Andererseits sind alte Häuser schwerer zu dämmen und klimafreundlich zu heizen. Ich treffe mich mit Geschäftsführerin Irmgard Wiener. Sie schildert mir, wie sie versucht, Ihr Haus nachaltiger zu machen:
„Wir versuchen es in Details, zum Beispiel beim Toilettenpapier, das besteht aus recycelten Tetrapaks, und das ist viel, was in so einem Hotel an Toilettenpapier weggeht. Wir achten beim Einkauf darauf, dass es wenig Verpackung gibt, wenig Wege gibt, also wir schauen, dass wir regionale Lieferanten haben. Wir produzieren so wenig wie möglich Papiermüll. Auf den Gästezimmern haben wir Shampoos ohne Zusatzstoffe. Wir haben in der Wäscherei eine Dosieranlage, die aufs Minimum herunterreduziert, und seit Corona haben wir Dampfgeräte für die Zimmerreinigung, mit denen auch OP-Säle desinfiziert werden, das heißt die läuft komplett chemiefrei.“
Nachhaltig Heizen mit Fernwärme
Beim Thema Heizung profitiert das Edelweiss wie alle am Arlberg von einer wegweisenden Entscheidung der Gemeinde: Seit 20 Jahren gibt es dass Biomasseheizwerk Lech, das mit Hackschnitzeln aus der Region für Wärme sorgt. 2007 folgte das zweite Heizwerk in Zug, 2009 ein weiteres in Oberlech und 2010 ging auch in Zürs ein eigenes Heizwerk in Betrieb. Vorarlbergweit war Zürs damit die erste Ortschaft, die ihre Wärme-Energieversorgung zu 100 Prozent mit Biomasse abdeckt, in Lech Zürs insgesamt sind es 98 Prozent. Allein durch das Heizwerk Lech werden jährlich 4,5 Millionen Liter Heizöl ersetzt und 22.000 Tonnen CO2-Emissionen eingespart, im kleineren Zürs sind es rund 1,3 Mio. Liter und 4.500 Tonnen CO2.
Ich frage Irmgard Wiener, ob sich die Gäste für die Frage der Nachhaltigkeit sonderlich interessieren. Sie lacht. Für die emissionsarme Heizung interessiere sich kaum jemand. Und Mülltrennung im Urlaub – aussichtslos, das zu probieren, auch wenn immerhin einzelne Gäste in Eigeninitiative ihren Papiermüll im Zimmer separat sammeln. Aber immerhin nutzen mittlerweile 10 Prozent der Gäste die Möglichkeit, die Emissionen ihres Hotelaufenthaltes zu kompensieren – das bietet das Edelweiss seit letztem Winter bei jeder Buchung an.
Über das Thema Kompensieren habe ich 2020 schon mal geschrieben – klar, in gewisser Weise ist das eine Art Ablasshandel. Andererseits besser als nichts. Ich mache das zum Beispiel bei Flugreisen immer. Also warum nicht auch im Skiurlaub?
Wie schädlich ist der Skibetrieb?
Die Diskussion um die Nachhaltigkeit beim Skifahren wird oft eher ideologisch geführt, als auf der Basis von tatsächlichen Umweltauswirkungen. Ja, Skigebiete sind keine unberührte Natur. Aber sie sind auch weniger raumgreifend, als man meinen könnte: Die Alpen umfassen knapp 300000 Quadratkilometer. Die Pistenfläche der gesamten Alpen nimmt davon gerade mal etwa 1000 Quadratkilometer ein. Das entspricht ungefähr der Fläche, die wir in Deutschland allein zwischen 2015 und 2019 neu versiegelt haben, für Siedlungen und Verkehr. In Bayern sind zudem 25 Prozent der Pistenflächen biotop-kartiert.
Am Arlberg funktioniert das nebeneinander von Almbetrieb und Skinutzung ganz gut – was ich dort im Sommer gesehen habe, unterscheidet sich deutlich von den abgeschrappten Erosionswüsten, die mich diesen Sommer in Kärnten so schockiert haben. Besonders gut gefällt mir das Weideprogramm der Bergbahn Lech. Seit 2008 züchten die Skilifte Lech schottische Hochlandrinder, die die Steilflächen beweiden. Das kurze Gras hält im Winter besser den Schnee und beugt damit Lawinenabgängen vor. Der 2013 errichtete Landwirtschaftsbetrieb „Schottenhof“ in Oberlech auf 1.760 ist ein Vorzeigehof in Bezug auf hochalpine Landwirtschaft.
Ökofaktor Schneekanone
Bleibt das Thema Beschneiung. Ohne die kommt selbst ein Schneeloch wie Lech nicht aus, auch wenn ich hier in diesem Winter immer in einer verschneiten Landschaft unterwegs war, und nicht auf einem einsamen weißen Band im Grünen. Ein großes Skigebiet verbraucht ungefähr 500 Liter Wasser pro Skitag und Person. Wobei man diskutieren kann, inwieweit dieses Wasser „verbraucht“ ist – am Ende der Skisaison schmilzt der Kunstschnee und das Wasser geht zurück in den Kreislauf. Zum Vergleich wir in Deutschland verbrauchen diese Wassermenge pro Kopf in knapp vier Tagen – aber das ist dann anschließend Abwasser…
Der Verband deutscher Seilbahnen gibt den Energiebedarf pro Person und Skitag mit 18 Kilowattstunden an – das ist nicht wenig. Lege ich meine Strommessungen der vergangenen Woche zugrunde, wären das 20 Ladungen im Wäschetrockner. Mit denen allerdings halte ich keine Tourismusindustrie mit ihren vielen Arbeitsplätzen am Laufen, und Wäsche trocknen macht eindeutig weniger Spaß… Ich versuche, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie gravierend der CO2-Ausstoß dieser Energiemenge ist. 18 Kilowattstunden entsprechen etwa 7,5 Kilogramm CO2-Äquivalenten. Ein Kilo Rindfleisch setzt umgerechnet etwa 12,3 Kilo CO2 frei. Dann vielleicht Ski fahren und dafür kein Fleisch auf dem Berg?
Regeln gegen Klimafreundlichkeit
Meiner Wirtin fällt noch ein anderer Bereich ein, wo man leicht für Nachhaltigkeit sorgen könnte: Vieles, was im 4-Sterne-Hotel Edelweiss Emissionen senken könnte, gefährdet gleichzeitig die 4-Sterne-Klassifizierung:
„In die Sternebewertung fließt zum Beispiel mit ein, wie viele Kosmetikartikel angeboten werden. Das, was wir jetzt auf den Zimmern haben, ist ein Minimum, das wir anbieten müssen, um die Vorgaben zu erfüllen. Wir haben ja auch keine Mini-Bar im Zimmer, erstens aus Energiegründen und zweitens weil es Geräusche produziert und Wärme abgibt – aber auch das gibt wieder Punkteabzug bei den Sternen, und Du musst Dir immer überlegen, wo gleiche ich das wieder aus, damit ich die vier Sterne halten kann.
Die Kategorisierung ist aus meiner Sicht schon lange nicht mehr zeitgemäß, aber man braucht sie für die Online-Buchungsportale, damit man sich da überhaupt eintragen kann. Im Fünf-Sterne-Bereich ist es noch extremer, da ist es zum Beispiel so, dass Du täglich einen Wäschewechsel machen musst, das finde ich im Grunde absurd: Wer wechselt schon zu Hause täglich seine Bettwäsche? Energietechnisch ist das ein Wahnsinn!“
Grüner Reisen
Bleibt das Thema Anreise, wie vor zwei Wochen beschrieben die weitaus größte Emissionsquelle des Skitourismus. Die internationale Zugstrecke Wien Bregenz hat im nahegelegenen St. Anton und in Langen Stopps – von da aus wird es mit dem Postbus dann allerdings ein bisschen mühsam. Besser organisiert ist der Verkehr zwischen den Arlberg-Dörfern: Ein sehr gutes Busnetz (und kaum öffentliche Parkplätze) sorgen dafür, dass man ohne Auto sehr viel bequemer unterwegs ist als mit. Seit der Wintersaison 2018/19 gibt es in Lech die „Green Garage“. In Kooperation mit BMW und der Vorarlberger Kraftwerke AG wurde dort die erste vollelektrifizierte „grüne Garage“ für E-Fahrzeuge in der EU geschaffen. Durch Umbau der Rüfigarage im Ortszentrum entstand eine Anlage mit 23 Stellplätzen, entsprechender Ladeinfrastruktur und „intelligentem Lastenmanagement“ – d.h. die Autos werden zu Zeiten geladen, wo viel Strom verfügbar ist, etwa nachts.
Im Hotel Edelweiss gibt es schon seit längerem eine Ladestation vor der Tür. Irmgard Wiener beobachtet, dass die immer mehr genutzt wird:
„Letzte Woche hatten wir eine Firmenveranstaltung, da lagen plötzlich fünf Schlüssel an der Rezeption, quasi als Warteschlange. Das wird nicht mehr lange dauern, dann werden wir mehr Ladestationen brauchen.“
Langfristig träumt die Geschäftsführung des Edelweiss von einer eigenen intelligenten E-Garage, wo die dort abgestellten Autos sogar als Stromspeicher dienen könnten. Noch lieber wäre es ihr allerdings, wenn die Gäste einfach umweltfreundlich mit dem Zug anreisen würden.
„Die Leute rufen oft besorgt an, ob sie Schneeketten brauchen, ob die Straße oft gesperrt ist. Denen sag ich immer ‚Nehmen Sie doch den Zug, es ist so komfortabel‘. Aber für viele Gäste ist das immer noch nicht vorstellbar, was sehr schade ist. Aber das wäre vielleicht auch eine Aufgabe für den Tourismusverein, einen Shuttle vom Zug zu den Hotels zu organisieren. Das wäre ja auch ein tolles Werbeargument für Lech/Zürs: klimafreundliche Anreise.“
Ich habe das schon öfters gemacht – von München aus muss man einmal umsteigen, das habe ich sogar schon mit Gepäck für 10 Skitage geschafft.
Call to Action
Meine selbst verordneten Regeln habe ich vor zwei Wochen schon geschildert. Darüber hinaus wünsche ich mir – neben mehr Zugfahrer:innen – mehr Action: Beim Buchen fragen, was das Hotel und was das Skigebiet in Sachen Nachhaltigkeit tut. Je öfter das Thema in Anfragen auftaucht, umso mehr schaffen wir Anreize. Wenn Hoteliers und Touristikverbände mitbekommen, dass ihre Gäste klimafreundliche Angebote schätzen, dann schaffen sie die auch!
Zum Schluss noch ein Disclaimer: Ich mag den Arlberg, das macht mich natürlich etwas befangen. Aber zumindest habe ich alle meine Reisen, Übernachtungen und natürlich auch meinen Skipass selbst bezahlt!
Und ganz zum Schluss: Ich habe im letzten Winter einen Artikel über das vegetarische Restaurant im Edelweiss geschrieben: regional, saisonal, vegetarisch, mitten im Winter in den Alpen – das geth richtig gut. Hier der Link